Skifahren in Yunnan

Tal des Roten Flusses, 09.04. bis 01.05.2011

Anfangs kam ich mir heute vor wie Frodo und die Gefährten bei der trostlosen Reise durch Mordor: Entlang der ersten Kilometer ging es steil bergan und wir kamen an Kohlewerken vorbei, die die eigentlich recht schöne Landschaft in ein düsteres Moloch verwandelte. Die Straße war gefüllt mit quietschenden, qualmenden und zischenden LKW beladen mit Steinkohle, die das Bild noch verstärkten. Schnell aber verdünnte sich der Verkehr und wir kletterten dem Himmel entgegen.

Auf dem Gipfel unserer Etappe bei 2000 m Höhe gab es endlich die verdiente Mittagspause. Dann ging es nur noch 42 km bergab. 42 km! Einige Teilnehmer seufzten. Wie kann man nur bei Abfahrten seufzen? Radfahrer sind schon eine seltsame Spezies! Ich für meinen Teil fand es allerdings eines der spannendsten Strecken, die ich gefahren bin. Die Straßenverhältnisse waren zwar weit davon entfernt optimal zu sein, aber das gab der Strecke die nötige Herausforderung. So mieden auch die meisten Fahrzeuge die Strecke und fuhren lieber die Autobahn oder wählten andere Straßen. Wir holperten an Reisterrassen vorbei und malerischem Gebirge, welches im Dunst in der Ferne verschwindet. Sobald die Landschaft anfing sich zu wiederholen wird man wieder aufs Neue überrascht: das Klima änderte sich nach und nach und mit ihr die Vegetation um einen herum. Von den gemäßigten Temperaturen rollte man durch die Subtropen hinein in den tropischen Urwald. Wo es oben noch recht kühl war und man sich fast ärgerte, keine Jacke mitgenommen zu haben, mochte man unten sich das T-Shirt vom Leibe reißen und in einen kalten See springen. Das einzige Gewässer in Sicht war jedoch der Rote Fluss, der sich nun neben uns befand. Allerdings wollte da keiner von uns wirklich rein mit der Fischzucht die da betrieben wird und der einhergehenden Brise von verwesenden Wassertierchen. Um es aber nochmal auf den Punkt zu bringen: diese Strecke ist zum Radfahren geschaffen. Auch wenn Dieter es auf der letzten Tour nicht bis nach unten geschafft hat. Aber es ist halt wie Skifahren: Nicht alle kommen unten heil an.

Das Abendessen hier war mal wieder so gut und üppig, dass ich mich wohl etwas übernommen habe und der Hocker beim Abendbier unter mir zusammenbrach. Da wollen wir nur hoffen, dass mein Rad nicht das gleiche tut.


[map style=“width: auto; height:400px; margin:20px 0px 20px 0px; border: 1px solid black;“ gpx=“https://china-by-bike.de/blog/wp-content/uploads/2011/04/2011-04-16.gpx“]

Rechts vom Mt. Everest

Auf dem Dach der Welt, vom 14.04. – 09.05.2011

Die schwierigste Übung nach Tibet einzureisen, ist die Herren beim Check-in am Flughafen von Kathmandu davon zu überzeugen, dass die vielen schön kalligraphierten Schriftzeichen auf dem Tibet-Permit auch Lhasa, Shigatse, Lhatse und Dingri bedeuten. Und wo bitteschön ist das Reisedatum? Nach etwas längerem Suchen findet sich dann ein Repräsentant der Air China, der den besorgten Herren auf Englisch das Chinesische erklärt. Das überzeugt und wir bekommen unsere Bordkarten. Und auch unsere Räder werden sanft auf das Rollband gebettet.

Tibet – wir kommen!

Na ja, fast. Schlechtwetterfront in Lhasa. Das bedeutet eine Stunde Verspätung, mindestens. Gemütlichkeitsrekorde schlägt der Flughafen Kathmandu nicht, dennoch gerät die dann tatsächlich auf eine Stunde begrenzte Wartezeit kurzweilig, Sabine und Heinz schwelgen in Tibetliteratur, ich plane noch ein wenig die Feinheiten der Route. Punkt 11:30 Uhr heben wir in Richtung Westen ab, drehen eine enge Kurve (das Kathmandu-Tal ist klein und von Bergen umgeben) und schweben dann am Südrand des Himalajas entlang. Der Mt. Everest geizt wieder einmal nicht mit seinen Reizen, und ich bilde mir ein, das Flugzeug würde sich leicht nach links neigen, so viele Passagiere springen mit der Kamera in der Hand auf und hängen sich und die Objektive ins Bullauge. Aber auch der Anflug auf Lhasa hat seinen Reiz. Sanft sinken wir in das Bramaputra-Tal und setzen Punkt 15:00 Ortzeit (in Tibet gilt auch die Beijing-Zeit, GMT +8) auf, gerade rechtzeitig, um den Transeurasien-Radlern, die um 9:00 Uhr Berliner Zeit vom Brandenburger Tor losradeln, gute Wünsche mit auf den Weg zu geben.

Die Grenzformalitäten gehen erstaunlich schnell, nur die Räder lassen sich Zeit. Als sie dann endlich da sind, haben sich bereits mehrere Flugzeugladungen über den Zoll ergossen, der es, anders als in Beijing oder Shanghai, sehr genau nimmt. Besonders der neue Stefan-Loose-Tibetführer hat es den Grenzern angetan, er wird genau durchgeblättern, wie auch die andere mitgebrachte Literatur, und auf Bilder des Dalai Lamas durchsucht. Im vorausschauenden Gehorsam haben die Verlage erst gar keine solchen Bilder abgedruckt, wir dürfen die Bücher also behalten. Meine Wenigkeit sowieso, in dem Chaos bei der Durchleuchtung haben die Zöllner meine Tasche vollkommen vergessen. Nicht, dass da irgendetwas Kompromittierendes drin gewesen wäre. Aber die Kontrolle scheint eher eine Übung als eine efffektive Sache zu sein.

Am Ausgang wartet Tenzin auf uns, der uns bis zur nepalesischen Grenze begleiten wird. „Ich hätte jetzt einen stattlichen Nomaden erwartet!“, bedauert Sabine. Tenzin kommt aus der Nähe von Lhasa und hat mit den hühnenhaften Kampa des tibetischen Osten nicht viel gemein – er bringt etwa 1,60 m auf die Messlatte. Aber die größten Herzen stecken in den kleinsten Körpern und Tenzin macht einen sehr netten Eindruck. Er besteht darauf, mit mir Englisch zu sprechen, was ich akzeptiere, obwohl wir auf Chinesisch sicherlich weitaus effektiver kommunizieren würden. Sein Englisch hat Tenzin tatsächlich von einem Amerikaner gelernt, sein Aussprache ist recht gut, das Vokabular weniger. Wird aber sicherlich gut klappen mit ihm!

Noch ein Stück im Bramaputra-Tal, vorbei an Wassermelondenfeldern, fahren wir im Bus die 60 km bis in die Innenstadt Lhasas. Die Luft auf 3.600 m ist dünn und wir müssen uns erst einmal akklimatisieren. Bei einem leckeren Essen in einer kleinen Garküche in der Altstadt bleibt es daher auch bei je einer Flasche Bier. Zur Eingewöhnung haben wir uns heute noch einmal Sichuan-Küche gegönnt und wanken nun hundemüde, kurzatmig und pappsatt ins Hotel.