Zwei Tage in Lhasa

Auf dem Dach der Welt, vom 14.04. – 09.05.2011

Wir sind überwältigt! Von der Höhenluft, die uns stoßweise atmen lässt. Von der geballten Ladung chinesischer Militärpräsenz in Lhasa. Von der Mischung aus Prunk und Armut, die die tibetische Kultur hervorgebracht hat.

Zuerst einmal aber von der Aussicht, die uns beim Frühstück erwartet. Unser Hotel liegt etwa einen Kilometer Luftlinie vom Potala entfernt, und diese Luftlinie ist heute außergewöhnlich klar und von der Dachterrasse des Yak Hotels, in dem wir logieren, beim Frühstück zu genießen. Gegen 8:30 Uhr laufen wir los und reihen uns ein in den Pulk der Pilger, die den zentralen Tempel Jokhang im Uhrzeigersinn umrunden. Gebetsmühlen werden eifrig gedreht und Räucherstäbchen abgebrannt. Auch wir vollenden die Kora, das ist die Gebetsrunde um einen Tempel, ein Kloster oder einen heiligen Ort, wie zum Beispiel den Berg Kailash, und biegen dann in den Jokhang ab, den zentralen Tempel Lhasas, wenn nicht Tibets. Tibet Reichseiniger Songtsen Gampo begründete hier im 7. Jahrhundert das religiöse Zentrum des neu entstandenen Reiches, maßgeblicht unterstützt von seinen beiden Gemahlinen, einer nepalesischen und einer chinesischen Prinzessin. Beide brachten heilige Buddhafiguren mit nach Lhasa, die im Jokhang ihre Heimat fanden und den Weg für die buddhistische Umgestaltung des Landes ebneten. Zwei Prinzessinen aus den mächtigen Nachbarländern, die zudem noch finanzielle Mittel und religiöse Ideen mitbrachten, da liess es sich für den tibetischen König durchaus ruhig schlafen.

Das waren noch Zeiten, die Nachbarn im heiligen Stand der Ehe vereint, Heiratspolitik, um Kriege zu vermeiden. Zumindest Tibet als Land hat das sehr gut getan bzw. Tibet hat sich damals als Land definiert, als vereinigtes Königreich. Das einfache Volk hatte allerdings wenig davon und war die Folgejahrhunderte auch immer am falschen Ende der Nahrungskette. Daran hat die Herrschaft der Dalai Lamas ab dem 14. Jahrhundert (die ersten zwei davon rückwirkend in dieses Amt erhoben um eine Tradition zu schaffen, damals, als der dritte, also eigentlich der erste Dalai Lama die Herrschaft der Gelbkappensekte in Politik und Religion zementierte) leider auch nichts geändert, eher im Gegenteil. „Wir büßen jetzt für das, was wir unserem Volk über Jahrhunderte angetan haben,“ schreibt der 14. Dalai Lama in seiner Biographie.

Wo war ich stehengeblieben?

Die chinesische Militärpräsenz in Lhasa irritiert durchaus. In regelmäßigen Abständen patrouillieren fünf Soldaten in Uniform die Straßen der Altstadt. Die vier flankierenden Soldaten unbewaffnet, in der Mitte ein Soldat mit Tränengasgewehr und einer der anderen Soldaten einen kleinen Feuerlöscher im Hosenbund. Dann ist da das sichuanesische, also chinesische Restaurant, in das die tibetischen Pilger am Abend einkehren und chinesisches Essen genießen. Keine der Bedienungen lassen sich auf eine Ethnie festlegen. Ich meine tibetische, han-chinesische Einflüsse zu sehen, Spuren der Bai, einem Handelsvolk aus Yunnan zu erkennen, und da mag noch viel mehr an genetischen Spuren vorhanden sein.

In der Altstadt geht das tibetische in das muslimische Viertel über, bewohnt von den Hui, jenen Chinesen, die an den Islam glauben und die bei den Unruhen 2008 richtig in die Fresse bekommen haben. Von den Tibetern. Und dann ist da der tibetische Tante Emma Laden, aus dem süßlich Kanto-Pop säuselt. Das von Chinesen geführte Café, das mit Tibetnippes überläuft. Und natürlich der Potala, der gewaltig über Lhasa thront, wie eine Illustration aus „Das Schloss“ von Kafka. Im Zentrum eine fast vier Tonnen Gold schwere Stupa, errichtet in einer Zeit, als das einfache Volk bitterste Not litt.

Keine Angst, das war es dann auch mit der Politk von meiner Seite. Aber eine Reise durch Tibet, ein Blog einer Reise von Lhasa nach Kathmandu, das bedarf ein paar einleitender Worte.

Schwarz und weiss gibt es nie in dieser Welt, und das weiss kaum ein Volk besser als die Tibeter, für die die Welt sowieso nur eine meist subjektive Manifestation der Geisterwelt ist.

Nun können wir uns auf die Radtour konzentrieren, auf die faszinierenden Landschaften, die ehrfurchterregende Kultur und die spannende Gegenwart Tibets. Morgen starten wir unsere Radtour, mit einer Einradeletappe über 60 Kilometer, flach und gleichbleibend auf ca. 3.600 Meter Höhe. Übermorgen dann der erste Pass!

Es ist wie es ist

Die Drei Schluchten des Yangzi, 13.04. bis 08.05.2011

Irgendwie war der Wurm drin und trotzdem war es ein toller Tag. Es gab eine Menge dieser unvorhersehbaren Kleinigkeiten, die nerven, die aber das Reisen eigentlich erst mit Leben füllen. Nie ist es so, wie man es sich vorstellt, und nie so, wie man es sich wünscht, Gottseidank.

Erstmal kam unser Begleitfahrzeug nicht, auf dem Weg zum Hotel liegengeblieben, da haben sie uns eine schöne Kiste rausgesucht. Wir sind dann ohne Fahrzeug los (Ersatz wurde schnell gefunden und holpert uns inzwischen hinterher) und aus Xi’an raus. Es ist eine gute Erfahrung, aus chinesischen Grossstädten zu radeln. Die Energie des Landes ist in den ungeschönten Aussenbezirken dieser Städte greifbar wie sonst nirgendwo. Mittags war Sylvias Rad dann den Acker-und Dorfwegen auf dem Weg zur Terrakotta-Armee (oder ihrer Pedalkraft) nicht gewachsen, Kettenriss, der Nietendrücker war natürlich im Hotel. Also Schieben und Taxi. Reparaturversuche wollte ich nach einem kurzen Tête-à-tête mit den Fahrradmetzgern der Umgebung gerade abbrechen, als einer der wohlmeinenden Gesellen einen kleinen unaufmerksamen Moment ausnützt und den Radzustand verschlimmbessert. Meine Gruppe hat sich derweil die Tonkrieger angeschaut und war begeistert, das wenigstens hat gefreut.

Später im Hotel, Radbastelei, nur kochend heisses Wasser in den Bädern (mal was anderes), ein Zimmer ist vergammelt und wird weggetauscht, solche Sachen eben. Aber: gefühlt war heute wieder herrliches Wetter, wir hatten ständig nette hilfsbereite Menschen um uns, ein grossartiges Abendessen (die Peking-Ente wurde nachgeholt), und die meisten von uns haben danach auf dem Platz im Zentrum der Stadt getanzt, dass die Chinesen um sie herum nur so mit den Ohren geschlackert haben.


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Eine geht noch… eine Abfahrt geht noch rein!

Tal des Roten Flusses, 09.04. bis 01.05.2011

Seit Andreas Tour vor knapp 2 Monaten hat sich hier nicht viel getan. Die Strecke entlang des Flusses wird immer noch bebaut. Daher wählten wir lieber den Weg über Mengzi nach Manhao. Die Strecke klang ganz nett und tendenziell in Richtung Flussufer geht es ja bergab. Wir ließen uns bis Mengzi fahren, wo wir unseren Proviant mit Erbsenkekses und Konsorten nochmal auffüllten. Ich schätzte die Etappe eher entspannt ein, da wir ja von 1600 m auf ca. 250 m kommen sollten. Ruth sah das ähnlich und entschied sich mitzufahren. Ab Mengzi ging es allerdings noch eine ganze Weile bergauf, bis wir auf knapp vor 1900 m endlich die Abfahrt antreten konnten. Aber was für eine Abfahrt das war. Wir hatten ja jetzt schon einige Pisten runter ins Tal, aber mit solch einer Straße habe ich nicht gerechnet: der Belag war durchgehend aus kleinen Betonpflastern, die aber gut zu befahren waren. Und die Strecke war ein Traum von einer Straße: kaum Autos, wundervolle Landschaften und einer Strecke, die die schönsten Bergzüge im Tal entlang führt. Die Etappe war für mich ein eindeutiges Highlight. Allerdings habe ich das Gefühl, dass nicht jeder aus der Gruppe meine Vorliebe für Talfahrten teilen kann. Ich weiß nicht, ob die original geplante Strecke entlang des Flusses das toppen kann. Nur möchte ich mich bei Ruth nochmal entschuldigen! Mit einem Anstieg von 800 m habe ich heute nicht gerechnet. Einmal oben angekommen schaute ich jedoch ins Tal hinab wo sich die Straße in kunstvollen Serpentinen den Hang hinab wandte. Ich dachte nur: „Ja… hier möchte ich runter!!“ und fühlte mich wie ein kleiner Junge vor der Bescherung an Weihnachten.

Kurz vor unserem Ziel trafen wir wieder auf die alte Strecke und uns wurde klar, warum wir von Mengzi gestartet sind. Wie Chinesen halt sind wäre die Strecke natürlich auch während dem Bau passierbar gewesen… Spaß hätte es allerdings nicht gemacht. Als wir vor dem letzten Anstieg standen und den Hang hinauf blickten, auf dem unser Hotel lag, schwand die letzte Motivation aus jedem von uns. So ein besch…eidener Abschluss, nach so einer schönen Strecke.

Im Hotel angekommen, nahm uns Manager Wang persönlich in Empfang und hatte bereits kühles Bier lagern lassen. Der Mann weiß anscheinend, nach langjähriger Erfahrung mit unseren Touren, was wir nach der Ankunft brauchen. Auch das Abendessen war bereits vorbestellt. Ich war natürlich ein wenig enttäuscht, dass mir meine Lieblingstätigkeit genommen wurde, war aber auch froh, mal nicht die Verantwortung über das Abendmahl zu haben. Denn meiner Meinung nach hängt die Wertung eines Tages, ob dieser erfolgreich war oder nicht auch im Wesentlichen vom Abendessen ab… nach dem Motto Ende gut alles gut. Aber Herr Wang Verstand was von seinem Handwerk und tischte üppig und gut auf. Selbstverständlich durfte der Anstoß mit einem Gläschen hauseigenem Gebräu auf die Chinesisch-Schweiz-Deutsche Freundschaft nicht fehlen.


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