Entlang der Teestraße

Auf dem Dach der Welt, vom 14.04. – 09.05.2011

Die „Teestraße“, besser gesagt die verschiedenen Karawanenrouten, die Indien und Nepal mit China verbanden, führten durch Tibet, und in der Regel durch Lhasa. Entlang einer dieser alten Handelswege radeln wir in den nächsten zwei Wochen von Lhasa nach Kathmandu. „Friendship Highway“ ist der moderne Name für eine der wichtigsten Handelstraßen der letzten 1000 Jahre. Seide, Tee, Porzellan und Gewürze wurde zwischen den Weltreichen Indien und China transportiert, die Umschlagplätze lagen in Lhasa und Kathmandu.

Die ersten Kilometer unserer Reise wollen jedoch so gar nichts mit einer historischen Handelstraße gemein haben. Breit und bräsig führt der Friendship Highway als Beijing Lu durch das Stadtzentrum von Lhasa. Rechter Hand bietet der Potala noch einmal einen Fotostopp, dann radeln wir durch breite Ausfallstraßen, die auch in jeder anderen chinesischen Stadt stehen könnten auf abgetrennten Radwegen in Richtung Bramaputra-Tal. Flach geht es dahin, mit leichtem Gegenwind. An die Höhe haben wir uns inzwischen gut gewöhnt, auch dank medizinischer Hilfe. Sabine und Heinz schwören auf Diamox, ich habe mich flächendeckend mit „Hong Jing Tian 红景天“ eingedeckt. Das besteht vor allem aus dem Destillat der Rhodiola Rosea. Musste ich auch googlen: Das ist die Rosenwurz und wohl inzwischen in Russland so etwas wie eine Wunderpflanze. In Sibirien wird sie „Goldene Wurzel“ (Золотой Корень, Solotoy Koren) genannt, denn der Wurzelextrakt soll Erinnerungsvermögen, Konzentration und Aufnahmevermögen steigern (Wikipedia sei Dank!). Neuen Erkenntnissen zufolge verlängern die Extrakte dieser Pflanze die Lebensspanne von Fruchtfliegen um bis zu 10 %. Na dann wird die Wurzel wohl auch gegen Höhenkrankheit helfen. Das Problem: Mit der Rhodiola Rosea geht es mir auch auf über 4.000 Meter ausgezeichnet. Was wäre ohne? Da versagt die Empirie.

Wir radeln also relativ schnaufarm durch Tibet und feiern unsere erste Etappe. In einem tibetischen Gasthaus, dass wohl auch schon zu Karawanenzeiten das erste Haus am Platze war. Von dem ursprünglich geplanten Hotel sahen wir leider nur die Grundmauern und einen emsigen Bagger, der sich durch das Resthotel fraß. Das Bedauern hält sich in Grenzen, die tibetische Familie sorgt sich rührend um uns, auch wenn der Sohn der Familie meint, chinesische Schlager zur Hintergrundmelodie seines Handys singen zu müssen – bei „Es müsste im Winter gewesen sein“ habe ich auch gegen Mitternacht gerne mitgesungen – der gute Mann hatte sein Zimmer neben meinem. Ein wenig fühlen wir uns also als Nachfahren der mutigen Karawanenführer. Immerhin – auch heute wartet hinter jeder Bergkette das Ungewisse auf uns.


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Goodbye „Mixian“, Hello „Pho“

Tal des Roten Flusses, 09.04. bis 01.05.2011

Morgens nach einem einfachen Nudelsuppen Frühstück wollte uns Herr Wang noch seine Gartenanlage zeigen. Eigentlich wollten wir zeitig los, da wir wussten, was uns am Nachmittag in Vietnam erwartet: Der steile Weg hoch nach Sapa! Aber wir wollten mal nicht so sein und taten unsere Pflicht als freundliche Gäste. Herr Wang seinerseits verstand es als seine Pflicht das Bewusstsein für Natur und Umwelt seiner Gäste zu stärken. Gegen so ein nobles Argument waren wir ja sowieso machtlos. Wir erwarteten einen kleinen Garten in dem er uns seine Fruchtbäumchen und Blumen vorstellen würde und wir etwas verkrampft nicken und aufgesetzt grinsen würden. Sein „Garten“ war jedoch, wenn man seinen Worten Glauben schenken kann, eine Zuchtstelle für seltene und bedrohte Pflanzenarten. Die Pflanzen und Insekten Ausstellungen waren recht sehenswert und seine Erklärungen gaben einen interessanten Einblick in die hiesige Fauna und Flora. Nichtsdestotrotz wollten wir endlich aufbrechen, da Grenzübergänge immer ungewiss und schwer einschätzbar sind. Dazu kam, dass Claudias Vietnam Visum erst einen Tag später gültig war. Aber es gibt ja immer Wege hier. Sackgassen kennt man nicht!

Die ersten 95 km bis zum Grenzposten ließen wir uns mit Bus fahren, da die Öffnungszeiten der Grenze etwas unbestimmt sind und die Masochisten unter uns es kaum erwarten konnten die Berge von Sapa zu bezwingen. Nachdem hilfsbereite Grenzbeamte die Problematik mit dem Pass geklärt hatten, konnten wir unsere Räder und Gepäck über den Roten Fluss schieben und waren in Südostasien angekommen. Das machte sich sofort bemerkbar: die Leute grüßten uns Fahrradfahrer mit einem freundlichen „Hello!“, der Duft, der in Luft lag ,änderte sich und 3 bis 4-stöckige Reihenhäuser zierten die Straßenufer. Duong (Gesprochen: „Hsöng“), unser vietnamesischer Reiseleiter nahm uns in Empfang und ich verstand außer „Pho“ hier kein Wort mehr. Auch wenn ich mich nicht mehr verständigen kann merkte ich sofort, dass ich meiner Heimat in Thailand ein ganzes Stückchen näher kam.

Vor dem Anstieg mussten wir natürlich nochmal Energie auftanken. Da kam unsere erste Schüssel Pho wie gerufen. Es gibt vermutlich kein Gericht auf der Welt das so verwurzelt ist. Pho ist das kulinarische Nationalsymbol Vietnams… und was für eins! Mixian in China sind nicht schlecht, Eiernudelsuppen in Thailand schlage ich auch niemals ab. Aber Pho ist sowohl die einfachste als auch die vollkommenste Form einer Nudelsuppe. Vorausgesetzt man steht auf frischen Koriander und Minze.

1450 Höhenmeter… jetzt könnt ihr kommen! In solchen Momenten bin ich immer besonders froh, dass ich als Reiseleiter bei den Letzten mitfahren muss. Gegen Ruth (die immer noch ziemlich angeschlagen war) und Claudia hätte ich keine Chance gehabt. Auf halber Strecke meldete sich eine Stimme in meinem Kopf. Es war meine asiatische Seite die sich immer mehr in den Vordergrund drängte: „Warum tust Du Dir das an? Hinten fährt das Begleitfahrzeug mit und du mühst dich hier ab. Schmeiß das Fahrrad da rein, entspann Dich und genieß die Aussicht!“. Immerhin haben es alle von uns bis über 1000 Meter geschafft. Als die ersten bei 1043 m das Handtuch schmissen und den Bus bestiegen, war ich ihnen endlos dankbar und ließ mich in das Sitzpolster fallen. Fünf von uns wollten jedoch weiterfahren. Als wir mit dem Bus oben ankamen, wartete Claudia bereits. Auch Ruth ließ nicht lange auf sich warten. Als dann der Rest auch mit ihren Rädern und kaltem Schweiß auf der Stirn vor dem Hotel stand meldete sich mein europäischer Ehrgeiz zurück: „Ich hätte jetzt auch als einer von denen sein können, die es hier hoch geschafft haben.“ Claudia übernahm die Rechnung für das Schmutzbier und allerspätestens jetzt konnte ihr die kleine Verzögerung keiner mehr übel nehmen.

Nun ist erst mal Entspannung Touri-Style angesagt mit allem, was das Touristenherz begehrt: französische Backereien, indischen Restaurants, Massagesalons, Outdoorläden und You-buy-someting-from-me-ok? -Rufe von Hmongfrauen, die einem ihre gestickten Tücher und Kissenbezüge andrehen wollen. Der Boom Sapas in den letzten 10 Jahren ist unglaublich. Der ehemalige französische Kurort, welcher fast in Vergessenheit geraten ist, mutierte zu einer ausgewachsenen Backpackermetropole. Lonely Planet hat hier mal wieder ganze Arbeit geleistet.


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