Wo Yaks Herzflattern bekommen

Auf dem Dach der Welt, vom 14.04. – 09.05.2011

Uns geht es gut! Wir radeln bei strahlendem Sonnenschein leicht bergan durch das Bramaputra-Tal, durch kleine tibetische Dörfer, vorbei an Aussichtspunkten, die allerdings fest in deutscher Hand sind (Bavaria Fernreisen), die Höhe von 3.700 Metern scheint ein Papiertiger. Dann schrauben wir uns die ersten Serpentinen hinauf, schnaufen ein wenig mehr, aber nicht wesentlich auffälliger als im Flachland, freuen uns auf die Passhöhe, machen nach 12 Kilometern Passfahrt auf 4.350 Metern Höhe noch einmal eine entspannte Pause – satteln wieder auf.

Und fahren gegen eine Mauer. Unerbittlich bläst wie aus dem Nichts ein eiskalter Wind, aus wechselnden Richtungen. Uns erscheint es, als käme er immer aus unserer Fahrtrichtung. Ob von vorne oder hinten: Der Wind zehrt an unseren Kräften, die Kälte macht die Muskeln steif wie Eiszapfen. 300 Höhenmeter und vier Kilometer vor der Passhöhe schmeiße ich das Handtuch, Sabine und Heinz halten tatsächlich bis zur Passhöhe durch, die Anstrengung ist ihnen aber ins Gesicht geschrieben. Auf der Passhöhe (4.800 m) ist der Wind noch stärker und kälter, da wollen wir uns nicht so lange aufhalten. Selbst die als Fotoobjekt auf die Passhöhe gestellten Yaks scheinen zu frieren und ihre Besitzer treten in einem verzweifeltem Versuch, sich aufzuwärmen, von einen Fuß auf den anderen. Also stürzen wir uns in die Abfahrt, mutig dem Wind entgegen. Zum Glück ist das Gefällte stark genug und wir müssen wenigstens nicht bergab treten. Uns zu Füßen liegt der Yangdrok Tso, einer von vier heiligen tibetischen Seen und glänzt verführerisch in Türkis. Nach kurzer Schußfahrt haben wir den See erreicht, bibbernd, erschöpft und wärmebedürftig. Ein paar Kilometer radeln wir noch am See entlang, steigen dann aber nach einem kurzen einverständlichem Nicken kollektiv in das Begleitfahrzeug. Schon am ersten Bergtag bis weit in den roten Bereich zu fahren, das hat keinen Sinn. Zumal Nangartze, unser Etappenort, immer noch auf 4.400 Metern Höhe liegt und wir noch nicht wissen, wie wir den erneuten Anstieg der Übernachtungshöhe vertragen. Die Höhe erweist sich dann als kein Problem, die scheinen wir alle drei sehr gut zu vertragen. Eher die Temparaturen, die am frühen Abend kaum noch über dem Nullpunkt liegen. Immerhin, das Hotel (!) hat brühend heißes Wasser zu bieten. Aber leider keine Heizung und Fenster, deren Isolierung die Frage logisch erscheinen lässt, warum man überhaupt welche eingebaut hat.

Folglich tragen wir alle Kleidungsschichten auf, rennen über die zugige Hauptstraße von Nangartze und wärmen uns dann in einem der Straßenrestaurants bei einer heißen Suppe, einem Lhasa-Bier auf Zimmertemperatur (ca. 5 Grad) und unserem inzwischen zum Inventar gewordenen chinesischen Kräuterschnaps Jinjiu 劲酒.


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Loutoa und der gelbe Schmetterling

Die Drei Schluchten des Yangzi, 13.04. bis 08.05.2011

Lang lebe Loutoa! Sie hat ein mächtiges Lachen und eine ansteckende Lebenslust, heute hat sie Geburtstag. Letztes Jahr haben ihr die Freunde noch eine Limousine vorbeigeschickt, heute hat sie sich mit uns den Huashan hochgekämpft und dem widrigen Wetter trotzig die Stirn geboten. Ganz schön kühl da oben, dann hat es auch noch angefangen zu regnen, keine Idealbedingungen für eine Polynesierin. Loutoa kommt aus Tonga und lebt jetzt mit ihrem Mann Welf auf Hawaii, der kommt aus dem Allgäu und hat ihr den entsprechenden Akzent vermacht. Jetzt radeln die beiden also durch China (schon zum sechsten Mal mit uns!). Welf heute barfuss den Berg hoch, Rad fährt er mit Flip-Flops. Und gerne auch ein paar Kilometer mehr, wie gestern, da sind wir zum Hotel abgebogen und waren einen Moment unaufmerksam, Welf auch, bis ich ihn wieder hatte war er schon zehn Kilometer weiter.

Und da waren schon 105km gefahren. Anfangs hügelig durch tolle Lösslandschaft, später durch die Ebene und dem Wind ausgesetzt. Die Fahrt verlief parallel des Wei, dem wichtigsten Zufluss des Huanghe, des Gelben Flusses. Die Gegend gilt als Kerngebiet der chinesischen Kultur, ihre Fruchtbarkeit ist offensichtlich: der Weizen ist schon gut gediehen, die Ebene ein einziges grosses Gemüsefeld. Wir sind durch traditionelle Dörfer aus Lehm gekommen, über lebhafte Märkte und an archaischen Ziegeleien vorbei. Einige der Höhlen, die in die enormen, durchbrochenen Lössschichten gehaün wurden, sind noch bewohnt. Ein paar Kilometer weiter durch moderne Orte wie Weinan, bei uns würde das als Grossstadt gelten. Nachmittags ging es dann stetig auf das Qingling-Gebirge zu, der Berg Hua („Blütenberg“) ist Teil dieser Kette, die sich bis zur Taklamakan im Westen zieht. Er ist einer der fünf heiligen Berge des Daoismus und heute haben wir ihn gemeistert, knapp 1200 Höhenmeter, kein Problem.

Loutoa und der gelbe Schmetterling haben nichts miteinander zu tun, überhaupt nichts (aber es klingt schön, oder?). Der gelbe Schmetterling ist in China immer seltener anzutreffen, wenn auch nicht gerade vom Aussterben bedroht. In unserem kleinen gruppeninternen Sprachkurs lernen wir jeden Tag ein neüs Wort, das erworbene Wissen wird mit grossem Elan praktiziert. Albin hat sich zudem neulich selbst ein Wort beigebracht, viel im Spracherwerb liegt ja in der Nachahmung, in Albins Fall war es eine interkulturelle Meisterleistung. Seitdem kommuniziert er dann und wann mit den Chinesen auf seine Weise…es geht um die Art, wie manche von ihnen ihre Kehle freiräumen – von ganz tief unten – Welf meinte, sein Grossvater hätte dazu „den gelben Schmetterling fliegen lassen“ gesagt. Das könnte aus China stammen.


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Die Stadt im Nebel

Tal des Roten Flusses, 09.04. bis 01.05.2011

…So heißt Sapa in einem bekannten vietnamesischen Popsong… und so präsentierte es sich uns heute Morgen. Sichtweite betrug etwa 100 m. Ursprünglich war eine Fuß-Wanderung durch die Minoritätendörfer mit einem Ausblick über das Tal geplant. Nach dem Frühstück saßen wir alle gemeinsam in der Lobby, schauten uns gegenseitig an, schauten aus dem Fenster, schauten uns wieder an und schüttelten den Kopf. Also gut, verschieben wir unser Vorhaben auf später. Wir entschlossen uns um zwei wiederzutreffen um einen neuen Versuch zu wagen. Der Nebel blieb, genau wie unsere Unlust das Tal zu erkunden. Asche über unser Haupt! Aber hey! Wer die Auffahrt nach Sapa schafft, der hat sich auch einen Ruhetag verdient. Also beschlossen wir gemeinsam einen Kaffee trinken zu gehen. So liefen wir im Nieselregen los und ließen uns an einem Café am Dorfsee nieder. Der Kaffee wurde schnell kalt und uns ging es nicht anders. So wurde für den Nachmittag auch das gemeinsame Programm gestrichen und man versuchte sich selbst zu unterhalten.

Abends hatte Duong ein besonderes Lokal ausgesucht, in dem sich keine Touristen verlaufen, auch wenn es fast mitten in Sapa liegt. Hier wird Feuertopf gegessen: Fondue auf asiatisch. Das Essen war hervorragend, inklusive etwas zähem Pferdefleisch und Schweinespeck. Nur als die einheimischen Hmong zur Unterhaltung einen Regentanz aufführten, bekamen wir etwas Panik und tranken lieber noch 2 Runden Reisschnaps auf sonnige Tage. Bisher hatten wir echt Glück mit dem Wetter. Sapa zählen wir jetzt mal nicht mit… Wenn sein schlechtes Wetter schon in der vietnamesischen Popmusik besungen wird, können wir da auch nicht mehr viel machen.