Nach Süden, nach Süden

Die Drei Schluchten des Yangzi, 13.04. bis 08.05.2011

Jetzt sind wir Südchina, d.h. zwar nach wie vor in der Provinz Shaanxi, aber mittlerweile über dem Qinling-Gebirge. Das nämlich gilt als die natürliche Grenze von Nord und Süd, von den Einzugsgebieten des Gelben Flusses und des Yangzi. Von Weizen und Reis. Die Etappe über diese Barriere war nicht ohne, die ersten 40km ging es fast konstant bergauf, doch das Gefälle war fair und die Landschaft gewaltig. Steinmassive, Felswände, reine Naturgewalt. Der Mensch verschwindet hier, die wenigen die noch da sind brechen Steine aus den Wänden und schneiden sie, der Tag heute war fast menschenleer. Schroffes Gestein und als wir tiefer kommen auch wieder die Parasolbäume, die derzeit in voller Blüte stehen und schon die Ebene des Wei-Flusses geschmückt hatten.

Luonan (wie groß sind diese Städte denn nun, man kann das kaum schätzen) war unser Endziel, Strecke war prima, Mittagessen war prima, Leistung war prima, nichts zu meckern, einwandfrei wie die Schwaben sagen, ihr höchstes Lob. Im Ort haben sich Menschentrauben um meine Schützlinge gebildet, aber penetrant ist es nicht. Die Menschen sind angenehm schüchtern hier. Das Hotel ist das Beste der Stadt, und das sagt viel über die Stadt. Touristen verirren sich nie hierher, auf unsere letzte Radgruppe wurde ich heute einige Male von wildfremden Leuten angesprochen (und die hat hier vor etwa einem halbes Jahr für eine Nacht Station gemacht), es spricht sich schnell herum dass wir aus Deutschland sind.


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Vietnamesische Kleinstadtidylle

Tal des Roten Flusses, 09.04. bis 01.05.2011

Heute Morgen schien Sapa wieder seinem Ruf alle Ehre zu machen und der Nebel hat sich noch weiter verdichtet und ein feiner Sprühregen kühlte die Bergluft. Um nicht unterkühlt und via Rutschpartie im Nebel unten im Tal anzukommen, nahmen wir den Bus und begannen unsere Fahrt unten im Tal. Eine Holperstrecke führte uns über Eisenbahnbrücken mit Fahrradverbot zu unserem Mittagslokal. Pho Xau Bo mal zur Abwechslung. Gebraten sind die Reisnudeln mindestens genau so lecker. Aber sie wären nicht halb so köstlich ohne die Zugabe von frischer Minze, Chilli und Limette. Die Luft war schwül und zäh. Aber wir kamen zeitig in Pho Rang an und begutachteten unsere Bleibe. Heute hatte René einen Aussetzer. Wie gut, dass die Leute immer dann krank werden, wenn wir einen Transport haben. Pho Rang selber ist recht unspektakulär. Bis auf Schuhläden mit zu kleinen Flipflops und einem dunklen Markt gab es hier nicht viel, was man erkunden konnte.

Die Zimmer waren halb so schlimm wie erwartet. Das eigentlich Ungemütliche war, die Durchfahrtstraße an der das Hotel lag und die Propagandabeschallung.

Als Westler sind wir es ja eigentlich nicht gewohnt unser Abendessen kurz vorher noch sterben zu hören. So verdarb das Todesquieken des Schweins kurz vor dem Abendessen einigen den Appetit auf Fleisch, wovon reichlich aufgetischt wurde heute. Weggeworfen wird hier ja nichts. Daher trofft das Blut beim Ausbluten nicht in den Abfluss, sondern wird auf gefangen und Blutpudding draus gemacht. Das klingt schlimmer als es ist. Mit Minze, Erdnüssen und Limette garniert, sieht fast alles genießbar aus. Selbst Karin die ja eigentlich fast Vegetarierin ist probierte ein Häppchen und zuckte die Achseln. Der kulinarische Höhepunkt heute Abend allerdings war der Maisschnaps, aus unreifem Mais. Er roch zwar etwas strenger, hatte aber eine erstaunlich milde Note und einen zarten, fast nach Vanille schmeckender Abgang. Einfach Herrlich! Mit diesem Stoff kann man jeden Weintrinker bekehren.


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…das himmlische Kind

Auf dem Dach der Welt, vom 14.04. – 09.05.2011

Die Straße führt durch karge Landschaft leicht ansteigend Richtung Horizont. Drei von weit angereiste Radler treten gleichmäßig in die Pedalen und blinzeln in die Morgensonne. Das Leben ist schön!

Vielleicht hätten wir am Vorabend gemeinsam den „Himalaya by Bike“ Reiseführer lesen sollen. Haben wir eigentlich auch, aber die Wahrnehmung ist anscheinend selektiv. „Im oberen Bereich wird der Karo La Pass in Frühjahr oft zu einem Windkanal“, steht da. Nun denn, Rückwind ist doch klasse, denkt sich da der optimistische Radler und blättert weiter. Das mit dem Windkanal stimmt, das wissen wir nun. Von orkanartigem Gegenwind hatten wir aber nichts gelesen haben wollen.

Also begeben wir uns auf Schleichfahrt. Die Sicht und das Wetter sind immer noch fantastisch. Vorbei an zwei 6.000ern und einem 7.000er mit einem imposanten Gletscher quälen wir uns gegen den Wind, bis irgendwann die Vernunft siegt. Die letzten zehn Kilometer Pass, d.h. rund 300 Höhenmeter nutzen wir das Begleitfahrzeug, um nicht völlig gegen eine Windwand zu fahren. Unser erster 5.000er Pass, leider nicht ganz mit eigenem Muskelschmalz. Aber es gibt noch einige Chancen, uns auf dieser Tour in diesen Höhen zu behaupten. Bergab balanchiert der Gegenwind dann die Fahrtgeschwindigkeit so, dass wir weder treten noch bremsen müssen – das entschädigt ein wenig für die anstrengende Bergfahrt. Vor allem aber die karge Mondlandschaft, durch die wir gemächlich rollen, fasziniert uns. Wenn die Eskimos 100 Wörter für Schnee ihr Eigen nennen, werden die Tibeter mindestens 50 Nuancen von Grau und Braun in ihrem Vokabular aufgenommen haben. Am Horizont bauen sich über der unwirtlichen Landschaft Eissillouetten auf. Bis die Landschaft lieblicher wird und die Straße in ein enges Flußtal mündet, mit tibetischen Bauernhäusern an beiden Hängen. Wir hatten uns entschieden, zwei Etappen zusammenzulegen, um einen Besichtigungs- und Ruhetag in Gyantse zu haben, was sich als richtige Entscheidung entpuppt, da sowohl das Guesthouse als auch das Restaurant in Longma, unserem eigentlichen Etappenziel, nicht mehr vorhanden ist. Mit der vollständigen Teerung des Friendship Highways sind die Gasthäuser in den kleinen Orten anscheinend nicht mehr notwendig.

Von Longma geht es tendenziell bergab nach Gyantse, das sollte eigentlich keine Probleme machen. Macht es auch nicht, nur der Wind weht uns erneut in Orkanstärke entgegen und irgendwann ist zwar noch ein wenig Kraft, aber definitiv keine Lust mehr vorhanden. Die letzten 30 km der 110 km Etappe steigen wir erneut ins Begleitfahrzeug um, und haben auch kein schlechtes Gewissen dabei. Das Gyantse Hotel verwöhnt uns dann mit heißem Wasser und weichen Betten. Den morgigen Ruhetag haben wir uns definitiv verdient!


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