Wer hat Angst vorm Panchen Lama?

Auf dem Dach der Welt, vom 14.04. – 09.05.2011

Shigatse ist eine komplett andere Stadt als Lhasa. Weniger geplant als mehr gewachsen, keine sichtbare Militärpräsenz, ein deutliches Nebeneinander und zuweilen Miteinander von Chinesen und Tibetern. Shigatse lebt, und das wohl nicht zu schlecht.

Traditionell war in Shigatse der Sitz des Panchen Lama. Der ist rein religiös gesehen in der Hierachie oberhalb des Dalai Lama angesiedelt. Der Panchen Lama ist die Reinkarnation des Amitava, einem Buddha, der im Kunlun-Gebirge (etwa 1000 Kilometer Luftlinie in Richtung Westen von hier) dem Paradies vorsitzt. Der Dalai Lama „nur“ die Reinkarnation des Avalokitisvara, in China auch Guanyin und in Tibet Chenresi genannt. Also einem dem Amitava unter- und zugeordnetem Boddisattva. Einem Menschen, der die Erleuchtung erlangt und aus Nächstenliebe auf den Eingang ins Nirvana verzichtet hat. Warum auch Amitava wiedergeboren wird, obwohl als Buddha eigentlich im Nirvana nicht mehr für unsere Welt der Illusionen zuständig, ist eine gute Frage, die eine ebenso einfache Antwort hat: Nehmt alles nicht so ernst, der gute Buddha ist ein transzedentaler, also irgendwie dann doch von unserer Welt, wenn auch nur als Prinzip. Und da behaupte noch jemand, die christliche Religion wäre kompliziert!

Der Buddhismus hat also auch seine Fallstricke und einer der größten liegt in der Dualität von Panchen und Dalai Lama. Besonders grün waren sich beide nie so richtig, der Panchen Lama als nominell wichtigste Figur in Tibet, der Dalai Lama als vom Volke verehrte Reinkarnation eines grundgütigen Boddisattvas. Wer sich in Tibet Einfluß verschaffen wollte, musste diesen schwelenden Konflikt ausnutzen, und das haben die Chinesen bis zur Meisterschaft zelibriert, schon lange, bevor die volkschinesischen Truppen nach Lhasa marschiert sind.

Soviel ist auf jeden Fall klar: Der Panschen Lama residierte in Shigatse und der Dalai Lama in Lhasa. Der letzte von allen Fraktionen anerkannte, nominell 10. Panschen Lama, galt als pro-chinesisch. Der amtierende 14. Dalai Lama eher nicht. Jetzt wird es schwierig: Der amtierende Panschen Lama wählt den Nachfolger des Dalai Lamas und umgekehrt. Das ging bei der Wahl des 11. Panschen Lamas schon einmal ziemlich schief, und wird bei der Suche eines Nachfolgers des jetzigen Dalai Lamas zu einem großen Zerwürfnis führen. Denn es gibt zwei Reinkarnationen des Panschen Lamas, über die sich Chinesen und Tibeter, aber auch die verschiedenen Fraktionen der Tibeter nicht einigen können. Wer bestimmt dann über den neuen Dalai Lama und wird dieser dann ein sinophiler Robenträger?

Lange Rede, kurzer Sinn: Es bleibt schwierig, und auch der Panschen Lama war kein Kostverächter, wie wir bei der Besichtigung des Tashilhunpo, der seiner Residenz erleben können. Viel Gold und Glitter verziert die Ruhestätten vergangener Panschen Lamas. Selbst die Pilger scheinen im Sonntagsstaat gekommen zu sein und bringen meist Familie mit. Der Tashilhunpo war sicherlich das aktivste tibetische Kloster, das wir bisher besichtigt haben. Trotzdem wirkt es eher wie eine Manifestation weltlicher Macht als ein Ort der Einkehr und Transzendenz.

Am Abend fröhnen auch wir den weltlichen Genüssen und lassen uns einen Hotpot nach Sichuan Art schmecken: Ein zweiteiliger (scharf und sehr scharf) Topf auf Gasflamme, in den dann je nach Vorliebe Fleisch, Gemüse und Meeresfrüchte geschmissen wird. Wärmt und desinfiziert. Und stärkt für die nächsten Pässe!

Ab morgen radeln wir durch eine der ärmsten Regionen Tibets. Mit dem Internet wird es dann sehr schwierig. Am Mount Everest Basecamp gibt es zwar Handyempfang, aber wohl kein Internet Café. Es kann also sein, dass ihr erst wieder aus Nepal von mir hört.

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2 Kommentare:

  1. Liebe Radler,

    der Reisebericht von Volker H. liest sich wie aus einer anderen Welt – aber Ihr seid offenbar auch tatsächlich in einer anderen Welt?
    Ich wünsche Euch aus dem sommerlichen München alles Gute, noch viel Spaß & viel Energie für den Kampf gegen die Höhe, die Berge und den kalten Wind!

    Eure Uli

  2. Hallo Volker,
    habe die Ostertage genutzt, um Eure/unsere Route anzusehen. Es geht ja erst richtig in die Berge, aber mit dem Begleitfahrzeug schafft Ihr es schon!!! Schade nur, dass es so kalt ist, aber Handschuhe habt Ihr ja dabei. Sigi und ich freuen uns schon jetzt, dass wir auf Euren Spuren fahren werden. Freut auf den nächsten 5.000er.
    Schöne Grüße
    Jens

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