Can you see us Major Yang?

Südlich der Wolken, 16.07. bis 07.08.2011

Bekanntlich ist die Chinesische Mauer das einzige Bauwerk auf der Erde, welches man vom Weltall aus sehen kann. Also haben wir ganz kräftig gen Himmel gewunken, als wir heute auf der Mauer bei Huanghua standen. In der Hoffnung, die Besatzung der ISS schaut just in diesem Augenblick aus dem Fenster auf den Blauen Planeten herab und steht auch noch zufällig gerade über uns. Später habe ich mich dann gefragt, ob die ISS überhaupt Fenster hat.

Alles Lüge, natürlich ist die Mauer mit dem bloßen Auge nicht aus dem Weltall zu sehen. Diese urban legend entsprang einer Zeitungsente. Selbst der erste chinesische Raumfahrer, der Taikonaut Yang Liwei, hatte seine Landsleute 2003 mit der Feststellung „Die Aussicht war wunderschön. Aber ich konnte die Große Mauer nicht sehen.“ enttäuschen müssen. Al Jazeera spöttelte damals mit dem leicht veränderten Text eines Songs von David Bowie (der Titel für den heutigen Blogeintrag ist also mal wieder nur geklaut).

Ein weiterer, fast nicht tot zu kriegender Mythos in Bezug auf die Mauer der zehntausend Li: Arbeiter, die während der Bauarbeiten gestorben waren, wurden kurzerhand eingemauert. Unsinn, ein toter Körper kompostiert, hinterlässt dann einen Hohlraum und würde somit die Stabilität der Mauer gefährden. Das wussten auch schon die alten Chinesen.

Die Mauer ist mein Lieblingsbauwerk in China. Heute bin ich es mental durchgegangen, bisher habe ich neun Abschnitte der Wehranlage besichtigt und erklettert. Darunter das Fort Jiayuguan, welches das westliche Ende der Mauer bildet, Shanhaiguan bzw. den Alten Drachenkopf, wo die Mauer bis in das Gelbe Meer hinein gebaut wurde, einen relativ unbekannten Abschnitt bei Dandong an der Grenze zu Nord-Korea und natürlich die Abschnitte in der Nähe von Beijing. Wie oft ich schon in Huanghua oder gar Simatai war ist meinem Gedächtnis entfleucht.

Heute also Huanghua zum x-ten Mal. Kurz vor unserer Ankunft hatte es geregnet und die Platten der teilweise sehr steil nach oben führenden Mauer waren noch glitschig. Also legten wir nach den ersten zwanzig Metern zunächst eine längere Pause ein. Aber dann kam die Sonne (endlich mal wieder etwas Sonne!) hervor, trocknete die Steine im Handumdrehen und Vera und ich wagten den weiteren Aufstieg bis zur ersten höheren Stelle des westlichen Abschnittes. Wen man dort nicht so alles trifft! Genau genommen waren wir fast allein auf der Mauer, aber oben trafen wir auf ein Quartett junger Backpacker, die den sehnlichsten Wunsch hegten einmal nackt auf der Großen Mauer zu stehen. Das haben sie dann auch gemacht.

Im Anschluss an die Mauer spazierten wir noch durch das Dorf Huanghua, entdeckten mit Papier bespannte Fenster und solar- und windenergiegespeiste Straßenbeleuchtungen. Alt und Neu, Tradition und Moderne dicht bei dicht!


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Macht kaputt was euch kaputt macht

Entlang der Seidenstrasse, 09.07. bis 04.08.2011

Wie theatralisch. In meinem Fall geht es ja nur um einen GPS-Empfänger, und der hat von ganz alleine den Geist aufgegeben. Er verweigert jede Ortung. Das interne Antennenkabel ist defekt, meint Dieter, der sich damit auskennt. Jedenfalls kann ich derzeit völlig entspannt vor mich hin fahren, denn wo wären wir, wenn nicht mindestens drei andere GPS-Geräte sofort einspringen könnten. Die Tracks der Tour haben wir einander schon zuvor überspielt und jetzt ist Dieter für die Feinorientierung zuständig. Es könnte keinen besseren geben, ich habe nun plötzlich einen Hospitanten der schon alle Weltmeere besegelt und einige CBB-Touren hinter sich hat. Abends macht er die Tracks zurecht, zu allem Überfluss kümmert er sich auch noch um die Kasse. Ein paar Brocken Chinesisch und er ist eingestellt.

Fachmännische Kommentare kommen außerdem von Martin, Michael hält sich zurück und kratzt über das Touchpad seines Empfängers. Für mich ist es ein nahezu neues Fahrgefühl, man klebt ja mit einem Auge ständig an dem Ding am Lenker, drückt hin- und her, addiert und subtrahiert. In unserem Fall erklärt sich die Strecke fast von selbst, wir sind in einen nördlichen Seitenarm der Seidenstraße eingebogen und fahren nun die Provinzstraße 303 nach Westen, endlich ist es luftig und grün.

Die angenehmen Temperaturen mussten wir uns erst hart erklettern, die erste richtige Etappe war gleich am Anschlag. Zunächst schnurgerade und stetig bergauf, bei wüsten Temperaturen, dann windet man sich um das Gebirge herum, auf das man fast 50km zugesteuert ist und das einfach nicht näherkommen wollte. Schließlich ein langgezogener Schlussanstieg durch ein irreales Tal, eingezwängt in schroffen, rot-braunen Fels. Oben in der Ebene hat man dann 2000 Höhenmeter hinter sich, dafür gleitet man plötzlich durch grüne Auen und wird von einem lauen Lüftchen umschmeichelt.

Jetzt fahren wir also durch dieses Grasland, am nördlichen Rand des Barkol-Gebirges entlang, einem Ausläufer des Bodga-Gebirges, welches wiederum ein Ausläufer des Tianshan ist. Am Wegesrand stehen Jurten, die immer wieder von flachen Lehm-oder Ziegelbauten abgelöst werden. Das Steppendasein wird in kleinem Stil vermarktet (unsere Jurtenmutter gestern war von der Hui-Minorität, die nicht gerade für ihr Nomaden-Dasein bekannt ist), aber insgesamt ist die Gegend zu weit ab vom Schuss für den ganz großen Zirkus. Vor allem Uiguren und Kasachen siedeln hier und teilen sich die weite Landschaft mit grasendem Vieh: Rinder, Schafe, Pferde und vereinzelt Kamele. Milane kreisen in der Luft.


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