Push, push!

Entlang der Seidenstrasse, 09.07. bis 04.08.2011

Das erste Foto unten habe ich gerade eben gemacht, beim Geldabheben. Zum Glück kann ich ein paar Schriftzeichen, so etwa das Zeichen für „Ziehen“ (la). Sonst wäre ich wahrscheinlich nie bis an den Automaten gekommen. Denn ist es nicht fantastisch, dass man an den Eingängen einer der größten Banken der Welt, der Bank of China, „Push“ darunter gedruckt hat?

Solche Schilder findet man überall, manche Autoren werden mit „Chinglish“-Bücher reich. Diese Bücher können durchaus zum Schmunzeln anregen, eine große Leistung verbirgt sich aber nicht dahinter, originell sind sie schon gar nicht. In China wird fast jede Übersetzung vom Google-Translator erledigt, oder vom eigenen Nachwuchs. Im Land fristen Myriaden anglophoner Backpacker ihr Dasein, ein paar von ihnen für einfache Übersetzungen einzustellen, das wäre doch mal was. Was aber nun wahrscheinlich wieder sehr deutsche Überlegungen sind: das Chinglish spiegelt das Ungestüme, Provisorische wieder, man weiß meistens dann doch, was gemeint ist, man hat in jedem Fall mehr Spaß und schmunzelt sein leicht chauvinistisches Schmunzeln.

Zufälligerweise habe ich heute noch so eine Stilblüte aufgenommen: in der fidelen Parklandschaft des Hongshan, wo die Leute lachen, tanzen und singen. Wir sind also durch Urumqi gestreift, nach dem Hongshan das Provinzmuseum, diesmal mit dem nötigen Ernst (hier sind die Jahrtausende alten Mumien besonders, welche man in der Taklamakan gefunden hat. Bestens konserviert, einige von ihnen mit eurasischen Zügen). Und später sind wir dann zum Großen Basar und der muslimischen Altstadt gefahren, in ein Fest für die Sinne. Fortbewegt haben wir uns zu Fuss oder mit dem Taxi, in Urumqi gibt es eine Häufung an Schwarztaxis. Man steht an der Straße und hebt die Hand, dann lässt man sich überraschen, welches Fahrzeug zum Halten kommt. Kann wirklich alles sein, oft einfach Familienväter, die ein paar Yuan auf dem Weg verdienen wollen.

Der alte Basar wurde abgerissen und die neuen Gebäude sind steril, die Menschen lassen sich nicht einfach runderneuern. Vor allem die Gegend um den Basar herum und durch das Geflecht von Gassen nördlich davon ist toll, die Atmosphäre eher Mittlerer Osten als Volksrepublik China (wurde mir gesagt, ich selber war da noch nie). China ist der wichtigste Handelspartner für alle zentralasiatischen Länder und Urumqi erste Anlaufstation, die muslimische Präsenz ist eher neu und nichts Alteingesessenes wie in den Oasenstädten Kashgar, Hotan, Hami. Urumqi ist eine junge Stadt, bemerkenswert erst ab der mittleren Qing-Dynastie, ihre Geschichte ist eher Hanchinesisch geprägt.

Der deutsche Patient

Südlich der Wolken, 16.07. bis 07.08.2011

Die heutige Besichtigung des Volkskrankenhauses von Lijiang stand nicht auf dem Programm, war also ein Zusatzangebot von China By Bike. Zugegeben, wir hätten auf den Besuch lieber verzichtet.

Es passierte nur wenige Kilometer hinter Shigu: Bei der Durchfahrt einer Mautstation touchiert Jürgen mit dem Pedal eine Bordsteinkante und macht einen schmerzhaften Kontakt mit dem Betonboden. Bei ca. 25 km/h. Äußerlich ist er mit einer Schürfwunde am Rücken davon gekommen, aber die linke Schulter ist geprellt. Es stand außer Frage, dass Jürgen heute nicht mehr weiter radeln konnte. Auch Vera und ich beschließen in das Begleitfahrzeug umzusteigen, um Jürgen eine qualvoll lange Fahrt auf dem Beifahrersitz zu ersparen. Statt Königsetappe also Krankenhaus.

Chinesische Krankenhäuser sind immer ein ganz besonderes Erlebnis. Bei einem einzigen Besuch lernt man fast den ganzen Komplex kennen. Das läuft dann etwa so ab: Zuerst in Gebäude 1, dort in der Schlange anstehen und für 4,5 RMB (etwa 45 Cent) ein Krankenbuch erstehen. Damit nach Gebäude 2, in der Schlange anstehen bis man vom Notarzt besichtigt und befragt wird. Keineswegs in geschlossener Abgeschiedenheit, die Schlange reicht bis in das Behandlungszimmer hinein und jeder bekommt das Wehwehchen von jedem mit. Ist ja auch interessant an was die Leidensgenossen so leiden.

Der Arzt ordnet eine Röntgenuntersuchung an. Also wieder zu Gebäude 1, an einer weiteren Schlange anstehen und die bevorstehende Röntgenbestrahlung bezahlen. Weiter zu Gebäude 3. Das Krankenhaus inklusive Möblierung strahlt den Charme der vierziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts aus, aber das Röntgengerät ist ultramodern und Swiss made. Hier Ausnahmsweise keine Schlange, wir kommen gleich dran. Von Jürgens Schulter werden drei Aufnahmen geschossen, die innerhalb weniger Minuten entwickelt sind.

Zurück zum Notarzt in Gebäude 2. Die Schlange ist zum Glück etwas kürzer geworden. Der Notarzt schaut sich die Röntgenbilder an, stellt zu unserer Erleichterung fest, dass nichts gebrochen ist, verordnet aber eine vierwöchige Ruhe für den linken Arm und eine Tetanusspritze. Und schickt uns zurück zu Gebäude 1. Der Weg und das Procedere sind uns inzwischen vertraut, Schlange stehen und zahlen. Weiter zu einem neuen Schalter, zum Glück nicht in Gebäude 4, sondern ebenfalls in Gebäude 1. Wir stehen, diesmal ohne Schlange, quasi an der Materialausgabe des Krankenhauses. Dort erhalten wir Ampullen für die Tetanusspritze. Schnell zurück damit zu Gebäude 2. Neben dem Behandlungszimmer von Notarzt Dr. He (inzwischen kenne ich seinen Namen und bin mir sicher im Verlauf der Behandlung auch den Rest seiner Familie kennen zu lernen) bekommt Jürgen von einer Krankenschwester zwei Spritzen verpasst. Die Schürfwunde wird zwischendrin auch noch desinfiziert, in einem anderen Zimmer und von einer anderen Krankenschwester. Dann dürfen wir gehen.

Was vom Tag noch übrig blieb haben wir mit Ausruhen und Abendessen verbracht. Und dem Kauf einer schicken Armschlinge in der Altstadt von Lijiang. Die ist bestimmt handgewebt, hergestellt im Gebäude 4 vom Volkskrankenhaus.

Die ersten drei Fotos habe ich übrigens noch in Shigu geschossen. Vor unserer Abfahrt und dem fatalen Sturz sind wir nämlich mit Fahrer Wang über den Wochenmarkt von Shigu geschlendert. Hoffentlich war das nicht ein böses Ohmen, denn mit anderen Schriftzeichen kann Shigu auch „Unfall“ bedeuten.


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