Immer schöne Aussichten

Entlang der Seidenstrasse, 09.07. bis 04.08.2011

Kühl hier in Beijing, wenigstens wenn man das Thermometer begutachtet. Gerade mal 30 Grad, da müssen wir Wüstenfüchse uns doch ein Lachen verkneifen. Der Temperatursturz wird allerdings durch die Luftfeuchtigkeit wettgemacht, als wir aus dem Flugzeug stiegen lief der Schweiß, das muss man zugeben. Heute aber war es luftig, ein Luftkurort, dieses Peking. Der Smog wurde weggeblasen und wir hatten eine gute Sicht in alle Richtungen, und das obwohl der Himmel bedeckt war. Immer schön, über das Wetter zu reden, oder? Wie man hört war der Juli ja recht durchwachsen in Deutschland.

Eine gute Aussicht hat man z.B. vom Aussichtshügel (Jingshan) direkt nördlich der Verbotenen Stadt. Lang lang ist es her, da hieß man ihn den „Berg des langen Lebens“ (Wansuishan). Zumindest bis sich der letzte Ming-Kaiser dort einsam und verlassen erhängt hat, danach fand man den Namen unpassend. Unter Ausländern spricht man vom „Kohlhügel“ und dafür gibt es keinen Grund von dem ich wüsste, vielleicht wurde am Fuß des Hügels mal Kohle gestapelt und ein ausländischer Gesandter fand das besonders spannend. Im Park um den Hügel ist heutzutage immer was geboten, unter anderem Gesang und Geschrei (hört sich für die meisten von uns ja ähnlich an, klassische chinesische Musik eben). Von den Pavillons auf dem Hügel gibt es großartige Perspektiven, in erster Linie natürlich vom Palastgewirr der Verbotenen Stadt, von alten Bauten wie dem Trommelturm oder der Weiße Pagode im Beihai-Park. Aber heute hatten wir auch gute Sicht auch auf neue Wahrzeichen der Stadt. Beijing kann sich in dieser Hinsicht vielleicht nicht mit Shanghai messen, aber der Jet-Set internationaler Stararchitekten darf sich auch hier austoben, mit mal mehr und mal weniger glücklichen Ergebnissen: das Nationaltheater von Paul Andreu liegt wie ein UFO inmitten eckiger Formen und Harmonien, das CCTV-Gebäude von Rem Kohlhaas beherrscht in der Ferne das Geschäftszentrum der Stadt. Gestern sind wir wieder durch das monumentale, futuristische Terminal 3 des Hauptstadtflughafens gewandert, welches von Norman Foster entworfen und 2008 fertiggestellt wurde.

Vom Tor des Himmlischen Friedens schließlich hat man einen guten Überblick auf den größten innerstädtischen Platz der Welt – den Tian’anmen Guangchang – mitsamt den pompösen Bauten drumherum (Neugestaltung des Nationalmuseums: Gerkan und Partner). In der Verbotenen Stadt dagegen ist alles beim Alten, wenn auch mittlerweile das meiste schön und filigran restauriert. Viele Menschen verlieren sich irgendwann in den gewaltigen Weiten der Anlage. Aber das dauert eine Weile, der Rummel wird immer mächtiger und nach einem richtig ruhigen Plätzchen muss man schon suchen, weit drinnen in den Nebenpalästen. Wenn man z.B. ein Nickerchen machen will… Der Himmelstempel ist weniger dicht, viel Grün und mehr Luft zum Atmen.

Also volles Programm heute, und das bei wenig Schlaf und viel Lauferei. Konditionell ist die Truppe in einem Top-Zustand, zäh und erfahren auch im Umgang mit kulturellen Dingen. Akrobaten-Show abends, kein Problem, nur her damit. Aber schon das Zuschauen: unfassbar, diese Verbiegerei, diese Schwerelosigkeit und diese Kraft. Wenn man selber gerade mal einen Purzelbaum hinkriegt und drei von vier Rollen rückwärts scheitern.
Die Nacht umschmeichelt Beijing, ein spätes Abendessen auf einer Dachterrasse und von unten die Polyphonie der chinesischen Hauptstadt.