Die Duftende Konkubine

Entlang der Seidenstrasse, 09.07. bis 04.08.2011

Heute Morgen waren wir am Grab von Ikparhan, der Duftenden Konkubine. Sie liegt vereint mit vielen ihrer Vor-und Nachfahren im Abakh Hoja-Mausoleum, benannt nach ihrem gerühmten Großvater, der im späten 17. Jahrhundert Führer über die Oasenstädte des westlichen Tarim-Beckens war. Die Westgebiete hatte sich das chinesische Kaiserreich bereits zur westlichen Han-Dynastie, im 2. Jh. v. Chr., Untertan gemacht. In der Folge war das heutige Xinjiang mal mehr, mal weniger unter chinesischer Kontrolle. Mongolische, tibetische, osttürkische Herrscher wechselten sich ab in ihrer Herrschaft über Khanate und über Verbünden von Oasenstädten und waren zumeist vom chinesischen Kaiserhof geduldet (dessen Motto: „mit den Barbaren die Barbaren regieren“). Erst im 18. Jahrhundert, unter dem Qianlong-Kaiser, wurden die Zügel wieder gestrafft. Xinjiang wurde Provinz mit einer chinesischen Bürokratie, und das war die Zeit, in der dem Kaiser die Duftende Konkubine aus Kashgar zugeführt wurde. Was mit den beiden geschah, ist eine Frage der Interpretation: eine Version lässt sie den Annoncen des Kaisers standhaft verweigern, bis dessen Mutter sie schließlich zum Selbstmord trieb. Eine andere Version sagt ihr eine tiefer Zuneigung zu ihrem neuen Herrn nach, und ein hohes Alter. Die Bandbreite reicht also von uigurischer Joanne D’Arc bis zum Symbol freiwilliger Unterwerfung.

Bis heute ist sie für viele Uiguren ein Symbol ihres Unabhängigkeitskampfes. Es war wahrscheinlich nicht die Sehnsucht nach Unabhängigkeit, welche die jüngsten Unruhen verursacht hat: vor zwei Wochen gab es viele Tote in Hotan, am südlichen Rand der Taklamakan, in den letzten Tagen dann in Kashgar. Explosionen, Messerstechereien, die Gründe sind in beiden Fällen bisher ungeklärt bzw. wieder eine Sache der Interpretation. Die kulturellen Unterschiede zwischen Han-Chinesen und Uiguren sind groß und die Kontrolle in Politik und Wirtschaft wird zu einseitig gehandhabt. Die Spannung ist greifbar. Wir kamen mit beiden Gruppen gut zurecht, aber gemischt findet man sie eigentlich nie an. Von den Anschlägen haben wir erst heute Morgen mitbekommen, das Militär war plötzlich omnipräsent, ganze Stadtteile waren abgeriegelt und Straßensperren wurden errichtet. Äußerst martialisch. Möglicherweise ist es auch kein Zufall, dass die Vorfälle kurz vor dem Hilal passierten, dem gerade zunehmenden Mond, welcher in diesen Tagen den Ramadan einläutet. Die Atmosphäre wird dadurch zusätzlich aufgeladen.

Man könnte noch so viel schreiben über die Provinz, über die Widersprüche und ihrer Einzigartigkeit. Von den unwirklichen, lebensfeindlichen Landschaften und die grünen Oasen. Ich glaube wir alle waren fasziniert von ihr. In Kashgar sind wir zum Schluss auf das Dach eines hohes Wohngebäudes gestiegen und haben in der Ferne die Schneeriesen des Karakorum bewundert, den Kongur und den Mustagh Ata. Nördlich davon den Hohen Pamir. Hermine hatte glänzende Augen, und Martin hat voller Sehnsucht in Richtung des Khunjerab-Passes geschaut, auf pakistanischer Seite standen die beiden schon und haben sich überlegt, wie es wohl in Kashgar so ist. Jetzt wissen sie es, es ist inspirierend, trotz der halb-abgerissenen Altstadt, trotz den Unruhen der letzten Tage. Statt dem Karakorum-Highway aber jetzt schnöde ab ins Flugzeug, immer nach Osten.

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3 Kommentare:

  1. Christof Gebhardt

    Vielen Dank für den historischen Einblick!

    Aber laut Stern.de hat China „sich die Region nach der Gründung der Volksrepublik 1949 einverleibt„. Und wenn es im Stern steht muss es wohl stimmen. Oder werden wir mal wieder von unserer freien und objektiven Presse an der Nase herumgeführt?

  2. Hallo Christof,

    Für diejenigen, die sich für „das uigurische Problem“ interessieren, ein Tipp: Sucht mal unter http://www.sueddeutsche.de mit dem Stichwort „Uiguren“ oder auch „Kashgar“ und lest dann, was sich bzgl. dieser Problematik un den letzten Jahren getan hat.
    Auch am 1.8.2011 stand ein informativer Artikel über den jüngsten Vorfall in Kashgar in der SZ. Da kann sich jeder sein eigenes Urteil bilden. Es ist die Frage, welche Informationen unvoreingenommener sind, die von Xinhua, oder die diversen Artikel in der europäischen Presse.

  3. Ohne das Thema zu sehr breittreten zu wollen (schließlich sind wir ja Reiseveranstalter und keine Politiker) – Unser Reiseleiter Tom Krech hat hierzu einen wie ich finde guten Text in seinem Blog geschrieben:
    http://www.tomtomtravel.com/2009/09/09/9-september-2009/

    Am besten ist es natürlich, selbst nach Xinjiang zu fahren und sich ein Bild zu machen. Zum Beispiel auf unserer Reise „Entlang der Seidenstraße“:
    https://china-by-bike.de/touren/sichou.php

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