Upper Class

Entlang der Burmastrasse, 11.02. bis 11.03.2012

Mawlamyaing, Mawlamyine, Moulmein…unser Ort hat viele Namen, wie fast alle Orte in Burma (Birma, Myanmar…). Umbenennungen, Transkriptionen, man verliert wirklich den Überblick hier. Unser Ort ist schön und zeitenthoben. Vor sehr langer Zeit war er das administrative Zentrum der Briten für ihren ersten kleinen Anteil am Land – in den 1820ern-1850ern, als die Kolonialmacht noch mit ein paar schmalen Küstenstreifen an Andamanenküste und am Golf von Bengalen zufrieden war. Wie immer kannte die Gier keine Grenzen, Britisch-Burma wurde zunächst auf den kompletten Süden des Landes und später auf das gesamte burmesische Gebiet ausgedehnt. Hauptstadt wurde dann auch schnell Yangon und Moulmein durfte wieder zur Provinzstadt an der Mündung des Salween werden. George Orwell spielte hier in den 1920ern Kolonialpolizei und hat sich dabei nicht überarbeitet, einiges von diesem Leben ist in seinen Roman „Burmese Days“ eingeflossen. In Burma durften die Müßiggänger und Verlierer unter den Beamten der imperialen Großmacht Upper Class sein und hatten ihre Ruhe dabei. Das koloniale Erbe ist noch heute sichtbar in vielen eleganten Gebäuden aus jener Zeit, aber inzwischen alles komplett marode.

Hierher gekommen sind wir mit der Bahn, stilgemäß in den Wagen der Upper Class. Man sollte sich davon nicht täuschen lassen, denn man ist inzwischen anderes gewohnt und die Reisestrapazen können sich in diesem Fall seit den Engländern nicht wirklich verändert haben: die Maschine und Wagons sind alt und ächzen die Gleise entlang, zwischendurch muss auch mal an den Bremsen geschraubt werden. Die Trasse ist noch bedauernswerter, die ist bestimmt seit hundert Jahren nicht mehr überholt worden. Eine ähnlich anstrengende Zugfahrt hatte ich jedenfalls selten, den andern ging es genauso, wir wurden von Anfang bis Ende durchgeschüttelt, 10 Stunden (300km!) wie auf den Massagestühlen am Flughafen. Obst aufschneiden wäre fast in ein Blutbad gemündet, Kaffeetrinker versorgten unfreiwillig das halbe Abteil. Es gab tatsächlich eine Holzklasse, keine Ahnung wie man das überstehen kann. Und es war alles doch herrlich! Der Eindruck, wie Reisen war und sein kann. Die Landschaften, die Stimmung im Zug und auf den winzig kleinen Bahnhöfen mit den ernsten Stationswärtern und ihren stolzen Fahnen (die Strecke wird 2x am Tag befahren). Kinder stehen vor den Häusern und warten sehnsüchtig auf das Vorbeifahren des Zuges, um dann traumverloren zu winken. Wir sind wie immer angekommen, diesmal also in Moulmein. In ein gemächliches, pagodenbesetztes, palmenbeschattetes Rückzugsgebiet.

Dem Erbe unserer europäischen Vorfahren widersetzen wir uns im Übrigen entschieden. Auf dem Markt sind wir schon fast nicht mehr zu unterscheiden von der Bevölkerung, mit Tanaka-Paste tarnen wir unsere bleichen Gesichter, Betelnusssaft quillt uns aus den Mundwinkeln. Wir haben eine ausgedehnte Runde gedreht, die Räder haben die Zugfahrt erstaunlich gut überstanden, bis zum größten liegenden Buddha des Landes bei Win Sein, 200m lang. In seinem Inneren herrschen chaotische Zustände, nicht gerade Nirvana. Eine Kammer mit Gipsfiguren reiht sich da an die nächste, fertig und unfertig, in bunt oder in grau. Wie immer wird die Werdungsgeschichte des historischen Buddha dargestellt, dazu burmesische Folklore und die verschiedenen Daseinsbereiche des Menschen, aber am meisten Freude hatten die Bildhauer ganz eindeutig an den Versuchungen: üppige nackte Frauen, nicht zu knapp. Danach dann die Rückfahrt in der Abenddämmerung, schattig und schön, von milder Luft und dem Lächeln der Menschen begleitet.

Ab heute eine neue Rubrik, wir grüßen.
Folge eins: Karin grüßt Kai. Herzlichen Glückwunsch Kai!


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