Die weißen Berge

Land von Fisch und Reis, 01.09. bis 24.09.2012

Wanderung/Treppensteigen auf den Huangshan. 12 km

Endlich ist es so weit. Wir durften auf den Huangshan… genaugenommen die Huangshan. Denn es handelt sich ja eher um ein Gebirge als ein Berg. Die Wetterwarnungen vom Vortag hatten sich leider bewahrheitet: Es regnete! Anke verlor aber nicht ihren Optimismus und glaubte, dass die Regenkleidung, mit der wir uns vor der Abfahrt noch eingedeckt hatten unnötig gewesen wäre.

Die ersten paar Höhenmeter behielt Anke auch recht. Nach unser kleinen Mittagspause jedoch drangen wir in die weiße Nebel- und Regenschicht, die die ganze Zeit über uns lauerte und wir wurden nass… klitsch nass! Der Weg führte jedoch beständig weiter Richtung oben. Eine gefühlte Ewigkeit dauerte es, bis wir die erste Spitze erreichten. Doch statt mit einer glorreichen Ausblick belohnt zu werden sahen wir nichts… Rein gar nichts! Auch die weiteren Spitzen waren nicht hochgenug um aus dem weißen Dickicht empor zusteigen. Für Katharina hatte der lange Marsch gen Himmel fast all ihre Kraft gekostet und der Weg entlang des Bergkammes war nur noch mit allerletzten Reserven zu meistern.

Wir stellten uns vor, wie schön die Aussicht doch sein müsse, immerhin waren wir auf knapp 1800 Metern und umringt von steilen Steinspitzen, die mit dürren Kiefern ein wundervolles Panorama gebildet hätten. Es heißt der Huangshan ist die einflussreichste Inspirationsquelle für die chinesische klassische Malerei. Wenn die Künstler aber alle unsere Sicht gehabt hätten, würden jetzt überall in den Touri-Läden statt Tusche-Landschafts-Rollen nur noch blanke, weiße Tücher hängen… Vielleicht noch bespickt mit gelben Tupfern, die die Einheitszipfelmützen der chinesischen Bergsteiger-Regenuniform-Capes darstellen sollen.

Es war ein surrealer Anblick: Die dicken Nebelwolken zischten zwischen den blassen Kiefern umher. Mittendrin stapften wir einem einzigen Ziel entgegen: Ins trockene Hotel! Immer wieder kamen uns Horden von Kreaturen in gelben Umhängen entgegen. Mir kam die Assoziation mit einem Weg ins Jenseits. Ein Weg, der ohne Ende zu sein schien… Es war nicht auszumachen wohin man ging oder woher man kam. Und es gab nur eine Richtung: Weiter!

Die chinesischen Bergsteiger ließen sich jedoch meist nicht die Stimmung vermiesen und schossen ein Selbstporträt nach dem anderen mit dem weißen nichts im Hintergrund. Wir aber ließen jede Sehens- bzw. Kaum-bis nicht-erkennbar-würdigkeit links liegen und stapften voran: „Hier ist die Begrüßungskiefer, das Wahrzeichen Huangshans.“ – „Aha, egal, weiter.“… „Hier ist der Schildkrötenfelsen.“ – „Aha, egal, weiter.“… „Hier ist…“ – „Egal, WEITER!“. Gern hätten wir auch mal Pausen eingelegt. Doch stehenbleiben war keine Option, denn der Wind tobte einem um die Ohren und ohne Bewegung waren die kühlen Brisen mit den nassen Klamotten kaum auszuhalten.

Nach 5 Stunden und 1180 Höhenmetern kamen wir endlich in unserem Hotel an. Wir plumpsten in die Sessel und bestellten erst einmal wieder chinesische Ingwer-Suppe. (Liebe Schwiegermutter: 谢谢你告诉我受凉后要喝姜汤!) So durchgefroren wie wir waren, hätte ich den warmen Ingwer-Sud mit keinem anderen Getränk der Welt getauscht.

Katharina aber hatte das Treppensteigen ziemlich mitgenommen und hatte nicht mal mehr Kraft für das überteuerte Abendbuffet. So fürsorglich, wie sie ist, überließ sie „den Jungs“ aber noch ihre letzten Zigaretten. Danke nochmal. Das war wirklich süß! Drogen verbinden eben doch!


Print Friendly, PDF & Email

Kommentare sind geschlossen.