Pass zwischen den Bergen und dem Meer

Auf den Spuren des Drachen, 08. bis 30.09.2012

68 Kilometer vom Zushan nach Shanhaiguan. Plus 2,5 Kilometer Stadtrundgang. Fast nur bergab. Wäre da am Ende nicht der 1,8 Kilometer lange Anstieg gewesen.

Unsere letzte Tagesetappe. Da hatten wir wieder fast alles. Eine Abfahrt, einen fiesen Tunnel, recht viel Verkehr zwischen Kilometer 6 und 38, eine zerbröselnde Nebenstraße, einen kurzen, aber knackigen Pass. Und ganz viel Große Mauer.

Das Frühstück in unserer idyllischen Berghütte bekam ein Upgrade, denn wir hatten uns am Vortag im Walmart um die Ecke mit essbaren Lebensmitteln eingedeckt. Was das Hotel dazu noch servierte war dann hübsche Dekoration auf unserem Frühstückstisch.

Wieder hatte es in der Nacht zuvor geregnet (hier regnet es immer nur, wenn wir ein Dach über dem Kopf haben) und den Himmel zumindest für den Vormittag blau gewaschen. Unter diesen Voraussetzungen stürzten wir uns in die sechs Kilometer lange Abfahrt vom Zushan zur Hauptstraße. Mit einem Schnitt von 15 km/h. Denn was wir nicht wollten war Stürzen. Das hätte bei einer höheren Geschwindigkeit durchaus passieren können, die Straße windet sich in engen Haarnadelkurven und der Belag ist nicht mehr der Jüngste. Also immer schön die Hände an den Bremshebeln halten!

Dann die nächste Herausforderung: ein 1,2 Kilometer langer Tunnel. Der war zwar spärlich beleuchtet, dafür aber eine einzige Schotterstrecke mit vielen Schlaglöchern und Spurrillen. Und nass war er auch noch. Das war jedoch eher unser Glück, denn sonst hätte es gestaubt wie Hölle und uns gar keine Sicht mehr gegönnt.

Damit war die Abfahrt noch nicht zu Ende, weitere 24 Kilometer ging es fast nur nach unten. Leider kamen mit jedem Kilometer aber auch ca. 500 LKW hinzu. Diesmal auf trockenem Untergrund und daher mit zunehmender Staubkonzentration in der Luft.

Bei Kilometer 38 hatten wir die Nase voll. Fast wörtlich. Also erst mal eine kleine Stärkung (gebratene Nudeln und Maultaschen) und dann links ab in die Nebenstraße. Die hatte ich 2006 auf Google Earth entdeckt. Der Abzweig dazu ist extrem unauffällig und nicht ausgeschildert. Auch dieses Mal wäre ich wieder daran vorbei gefahren, hätte mein GPS-Empfänger nicht den richtigen Knick angezeigt.

Von nun an ging es ohne LKW und fast ohne andere Kraftfahrzeuge weiter. Und da war sie wieder, die Große Mauer! Bei Kilometer 51 schlüpften wir hindurch (siehe Bilder unten). Ein unscheinbares Tor, durch das der Dorfverkehr fließt. Keine Wachen, keine Festung, kein Eintritt, kein Hello-cola-water-beer-postcard-tshirt. Die Festung und den ganzen Rummel dazu gibt es 500 Meter später. Da kann der moderne Tourist den九门口 (Jiumenkou, Neun Tore Pass) besichtigen. Ein paar Fotos und spärliche Infos gibt es dazu hier und dort. Wir haben uns eine Besichtigung erspart, wir hatten ja noch ein paar Kilometer vor uns. Und den letzten Pass auf unserer gesamten Tour. Nur kurz und nur 100 Höhenmeter, aber immerhin.

Ankunft in Shanhaiguan pünktlich um 16:00 Uhr. Shanhaiguan bedeutet übersetzt Pass zwischen den Bergen und dem Meer. Der Name ist Programm, südöstlich von Shanhaiguan liegt das Meer, nordwestlich fangen die Berge an. Also ein strategisch wichtiger Ort im alten China, als hier noch die Grenze zum Reich der Mandschu verlief. Shanhaiguan wurde im Laufe der Geschichte mehrfach zerstört und wieder aufgebaut. Das letzte Mal um das Jahr 2006 herum. Da hat man große Teile der ummauerten Altstadt platt gemacht, um eine neue Altstadt zu bauen. Bei meinem ersten Besuch hier konnten wir noch durch die alte Altstadt bummeln. Bei meinem zweiten Besuch 2006 ist meine Gruppe über die Trümmer gestolpert, die vormals Wohnhäuser und Geschäfte waren. 2012 ist da wieder eine Stadt, eine neue Altstadt. Mit Häusern, die aussehen sollen wie aus der Ming-Dynastie. Die Häuser beherbergen jedoch keine Menschen mehr. Fast alle sind auf Geschäft und Laden ausgerichtet, aber nur ein Bruchteil davon ist vermietet.

Nach einer kurzen Verschaufpause spazieren wir durch diese neue tote Altstadt. Wir finden zwar noch ein paar Gassen, die nicht der Abrissbirne zum Opfer gefallen sind, ansonsten ist die Stadt innerhalb der Mauern so gut wie ausgestorben. So ausgestorben, dass wir Mühe haben ein Restaurant zu finden. Wir nehmen dann das letztbeste und das Essen ist zwar genießbar, aber nichts, von dem man zu Hause berichten würde.

Ich will mein altes China zurück, nicht das neue alte!


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