Verkehr(t)

Auf den Spuren des Drachen, 08. bis 30.09.2012

76 Kilometer von Kuancheng nach Qinglong. Auf und ab wie in der Achterbahn. Staubtrocken.

Auf Chinas Straßen herrscht das blanke Chaos. Zwar gibt es eine Straßenverkehrsordnung, aber die kennt nur derjenige, der sie mal erstellt hat. Und selbst bei diesem könnte ich mir vorstellen, dass er die Gesetze schon längst wieder vergessen hat. Verkehrsschilder dienen einzig der Auflockerung des Straßenbildes und die meisten Ampeln haben eher vorschlagenden Charakter. Manchmal entscheiden Verkehrsteilnehmer erst in letzter Sekunde, ob sie links oder rechts aneinander vorbei fahren. Nicht selten hat man das Gefühl der Kraftfahrer/Radfahrer/Fußgänger, der gerade von vorne, hinten, rechts oder links daher kommt hätte just an diesem Tag vergessen seine gelbe Armbinde mit den drei schwarzen Punkten anzulegen.

O Gott, O Gott, O Gott könnte man nun denken, wie kann jemand unter diesen Umständen auch nur für eine Minute im chinesischen Straßenverkehr überleben? Es geht! Und zwar recht gut. Denn das Chaos auf den Straßen ist selbstverwaltet und selbstverwaltend und gehorcht Gesetzen, die nirgends aufgeschrieben sind.

Die meisten chinesischen Autofahrer fahren so, als hätten sie sieben Leben. Sie fahren aber auch so, als hätten sie sechs davon bereits verbraucht und dabei eine Menge Erfahrung gesammelt. Zum Beispiel dass es viel besser ist nach Gehör denn auf Sicht zu fahren. Böse Zungen behaupten ja, dass die chinesische Führerscheinprüfung nur eine einzige Frage stellt: Wo ist der Schalter für die Hupe?

Jetzt aber ernsthaft, der chinesische Verkehr ist gar nicht so schlimm. Die Zauberworte dazu lauten Aufpassen und Anpassen. Es gilt nicht das Recht des Stärkeren, wie oft behauptet wird, und es gilt schon gar nicht die deutsche StVO. Es wird viel Rücksicht genommen, man versucht sich einfach zu arrangieren. Keiner hat prinzipiell Recht und keiner pocht auf §135 (oder irgend einen anderen Paragraphen).

Auf dieses Thema bin ich durch Kommentare der letzten Tage im Blog gekommen. Und weil mich meine Gruppe darum gebeten hat. Ich könnte noch viel mehr dazu schreiben, aber ich bin eh schon zu langatmig. Daher eine kurze Auflockerung, hier mal ein paar Straßenbilder der letzten zwei Tage (alle von H, vielen Dank dafür!):

Also zurück zu unserer Tour. Heute hatten wir viel Verkehr. Da ist so einiges an uns vorbeigerauscht und gedonnert. Besonders die LKW mit ihren vier bis sechs Achsen und geschätzten 120 Tonnen Zuladung haben uns sehr zu schaffen gemacht.

Die sind unangenehm, wenn sie von hinten kommen und ihre Fanfaren ertönen lassen (wozu sie gesetzlich verpflichtet sind, wenn sich langsame Verkehrsteilnehmer wie Fußgänger, Radfahrer, Zweitackt-Traktoren und Eselkarren vor ihnen befinden).
Sie sind unangenehm, wenn sie dröhnend an einem vorbei rauschen.
Sie sind unangenehm, wenn sie vorbei gerauscht sind und eine Feinstaubwolke hinter sich gelassen haben.

Grund für den massiven LKW Verkehr bis ca. Kilometer 45 war wohl der Autobahnbau. So ist das gerade in China: Vormals ruhige Straßen werden zunehmend stärker befahren. Übel. Dann werden sie ausgebaut und man muss sich durch die Baustelle quälen. Noch übler. Oder es wird eine Autobahn parallel gebaut und der Baustellenverkehr wird über die alte Straße abgewickelt. Auch übel. Oder beides zusammen. Übelst!
Zwei Jahre später ist der Spuk wieder vorbei. Dann fährt man plötzlich über eine Straße mit Flüsterasphalt und kaum Autoverkehr. Habe ich alles schon erlebt.

Wir kommen keine Minute zu früh in Qinglong an, perfektes Timing. Noch während wir die Fahrradständer ausklappen fängt es an zu regnen. Zunächst fallen ein paar Tropfen, als wir unsere Zimmer beziehen geht ein heftiges Gewitter mit sintflutartigen Regenfällen nieder. Das Abendessen findet heute mal im Hotelrestaurant statt.


[map style=“width: auto; height:400px; margin:20px 0px 20px 0px; border: 1px solid black;“ gpx=“https://china-by-bike.de/blog/wp-content/uploads/2012/09/2012-09-23_Long121.gpx“]

Print Friendly, PDF & Email

3 Kommentare:

  1. Schon wieder so komische Straßenschilder. Die spinnen, die Chinesen. Da bei eurer kleinen Gruppe aber scheinbar ein Kenner des chinesischen Schilderwaldes mitfährt, werde ich die Gelegenheit nutzen, eine Frage zu stellen, die mir schon seit 8 Jahren unter den Nägeln brennt: Was bedeutet das klassische Achtung-Schild (also Dreieck, eine Ecke nach oben, weiß, rote Umrandung) mit einem schwarzen Kreis in der Mitte? Vorsicht schwarze Löcher? Bisher hatte niemand eine Idee. Gesehen übrigens in Hongkong. By the way: eine gute Wahl von H, sich dieses Ziel auch noch vorzunehmen. Vielleicht lassen sich ja A und P auch irgendwann mal dazu überreden, ääh -zeugen, auch wenn ich nicht empfehlen kann, dort mit dem Fahrrad zu fahren. Toll ist es allemal. Auch wenn die Schilder etwas seltsam sind…
    P.S. Gegen einen Mooncake hätte ich auch nichts einzuwenden, hab ich bisher noch nicht probiert! Wie war nochmal die Freigepäck-Menge von Air China? 😉

  2. Christof Gebhardt

    Hallo Sandra!

    Was bedeutet das klassische Achtung-Schild (also Dreieck, eine Ecke nach oben, weiß, rote Umrandung) mit einem schwarzen Kreis in der Mitte? Vorsicht schwarze Löcher? Bisher hatte niemand eine Idee. Gesehen übrigens in Hongkong.

    Ich war schon seit über 10 Jahren nicht mehr in Hongkong und das Schild ist mir damals nie aufgefallen.

    Ich habe mal im Internet gestöbert und finde dort für Hongkong nur noch die Straßenschilder, die auch in China verwendet werden. Also diese hier (<- Klick!). Wie du siehst sind die chinesischen Gefahrenschilder nicht rot und weiß, sondern schwarz und gelb. Ist da ein Schild dabei welches dem von dir gesuchten ähnelt?

  3. Hallo Christof. Leider nicht. Es war tatsächlich ein klassisch ‚europäisches‘ Achtung-Schild, also rot-weiß. Habe ein Beweis-Foto! 😉 So langsam glaube ich, dass dieses Schild nur ein einziges Mal in Hongkong existiert und sonst nirgendwo mehr auf dieser Erde. Könnte es vielleicht ein Überbleibsel von den Engländern sein?! Dort habe ich es allerdings auch nicht gefunden. Es bleibt mysteriös…

Kommentare sind geschlossen