Lieber arm dran als Arm ab

Tal des Roten Flusses, 12.10. bis 03.11.2013

Die heutige Etappe führt von Sapa 30 Kilometer bergab, zurück nach Lao Cai und von dort 80 Kilometer auf hügeliger Strecke nach Pho Rhang. Wetter: anfangs leicht vernebelt, später Sonne (!!!).

Der heutige Tag beginnt eigentlich sehr gut. Das Wetter in Sapa ist über Nacht aufgeklart und hinter der Fensterfront im Frühstückssaal unseres Hotels zeichnet sich eine schöne Berglandschaft ab. Das Frühstück ist auch lecker. Baguette, Käse und Kaffee gehört nach langer Anwesenheit der Franzosen zum Standardprogramm. Nach vielen Frühstücksnudelsuppen auch für den experimentierfreudigsten Reisenden eine willkommene Abwechslung.

Gegen neun fahren wir los. Die Abfahrt nach Lao Cai ist stellenweise steil und nass durch den Regen der letzten Tage. Obwohl die Fahrbahn insgesamt gut ist, lauern hier und da fiese Schlaglöcher. Auf der Abfahrt, in einer Kurve kurz hinter Sapa, übersieht Bernd so ein Schlagloch und stürzt. Wir haben Glück im Unglück. Nach einem kurzen Schock klopft er schon wieder die ersten Sprüche. Nur der Oberarm schmerzt etwas, ansonsten alles in Ordnung. Nach einer längeren Pause sattelt der Rest von uns wieder auf, während Bernd und Duong mit dem Begleitfahrzeug in die Klinik nach Lao Cai fahren. Zum Röntgen. Sicher ist sicher. Später am Tag informiert mich Duong per SMS über die Untersuchung im Krankenhaus: Arm angebrochen. Die nächsten Tage wird Bernd uns leider nur noch aus dem Begleitfahrzeug heraus anfeuern können. Trotzdem sind wir alle erleichtert, dass der Sturz am Morgen nicht schlimmer ausgegangen ist: Lieber arm dran, als Arm ab. Bernd trägt es mit Fassung. Er will in den kommenden Tagen die Zeit nutzen um sich unterwegs die Umgebung und kleinere Sehenswürdigkeiten am Wegrand intensiver anzuschauen, als das mit zahlreichen Tageskilometern im Nacken vom Rad aus möglich ist.

Auf der Abfahrt sehen wir zumindest etwas von der herrlichen Landschaft, die wir vor zwei Tagen benebelt von sportlichem Eifer (und Nebel) nicht sehen konnten. Viele viele Reisterrassen, kleine Weiler mit Holzhütten, Wasserfälle, Bäche, Wasserbüffel, dahinter die Kulisse einer Berglandschaft – schön. Je weiter wir nach unten kommen desto wärmer wird es wieder und, ich glaube erstmals auf dieser Tour, zeichnet sich ein astreiner, dunstfreier Sonnentag ab. Erleichterung macht sich breit, die Sonnencreme haben wir nicht umsonst mitgeschleppt.

Da die alte Strecke nach Pho Rang in schlechtem Zustand ist, fahren wir ab Lao Cai auf einer neuen Straße. Der Weg führt durch eine sehr schöne Gegend, was etwas für den zeitweise recht starken LKW-Verkehr entschädigt. Trotz des Verkehrs (neben LKWs fahren fast nur Mopeds und Fahrräder auf den Straßen) macht das Land hier im unwegsamen Norden einen ruhigeren Eindruck auf mich als China. Zwischen den Dörfern kommen wir immer wieder an Bananenplantagen und Reisfeldern vorbei. In den Feldern fressen Wasserbüffel die Reste der abgeernteten Reispflanzen. An der Straße werden frische Ananas verkauft. Wir versuchen erst gar nicht zu widerstehen und machen hier eine längere Pause. Die Ananas wird hier mit Salz zum dippen gereicht. Interessant und nicht schlecht. Ein Highlight auf der Strecke heute sind die zahlreichen Kinder. Den ganzen Tag über scheint irgendwo die Schule aufzuhören, die Straße ist zu jeder Zeit voll von Kindern. Wir werden mit nicht endenden „Hello“ Chören empfangen. Ein Unterschied zu China, neben der schieren Menge an Kindern: hin und wieder hört man auch mal ein „Money?“ heraus. Die Gegend ist ärmer als jenseits der Grenze. Zeitweise begleiten mich drei Jungs auf ihren Klapperrädern tapfer im Wiegetritt bergauf, bergab, bis die Entfernung nach Zuhause doch zu groß wird und die drei sich verabschieden.

Nach 112 Kilometern erreichen wir schließlich unser Hotel in Pho Rhang, eine ziemlich einfache Bleibe, direkt an der Durchgangsstraße. Egal, die lange hügelige Strecke, das warme Wetter und der zeitweise starke Verkehr haben uns heute ziemlich müde gemacht und wir freuen uns erstmal auf das Abendessen mit Wasserbüffel, vietnamesischen Frühlingsrollen und Nachdemschmutzbierbier. Insgesamt eine schöne erste Tagesetappe durch Vietnam, wäre der Sturz am Morgen nicht gewesen.

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