Schweinefriedlich

Land der Morgenfrische, 04. bis 23.10.2014

Ruhetag für die Räder, dafür 85 Kilometer mit dem Bus rumgegurkt.

Seit gestern befinden wir uns in der Punchbowl (zu deutsch Bowle Schüssel). Dabei handelt es sich um eine durch Erosion entstandene kraterförmige Vertiefung mit einem Durchmesser von rund Kilometer und umgeben von einem Ring aus Bergen, welcher teilweise über 1.000 Meter hoch ist. Den Namen Punchbowl, welcher nicht wirklich koreanisch klingt, verdankt die Senke UN Beobachtern während des Koreakrieges. Hier wurde erbittert gekämpft, praktisch um jeden Hügel und jede Anhöhe. Was für ein sinnloses Gemetzel!

Heute bilden die nördlichen Ausläufer der Punchbowl die Grenze zwischen Nord- und Südkorea. Unsere Unterkunft, eine kleine familiengeführte Pension, liegt nur acht Kilometer von der demilitarisierten Zone (DMZ) entfernt. Die DMZ ist ein 248 Kilometer langer und vier Kilometer breiter Streifen Niemandsland, laut Abkommen zwischen den beiden Ländern darf dieser ohne Genehmigung nicht betreten werden.

Innerhalb der Punschbowl leben rund 1.500 Menschen. Nicht eingerechnet die vielen Soldaten, die hier in etlichen Kasernen ihren Militärdienst ableisten. Die meisten Einheimischen leben im Örtchen Haean, welches gleich um die Ecke von unserer Unterkunft liegt. Der Legende nach soll es in der Bowle Schüssel mal viele Schlangen gegeben haben, die es ihren menschlichen Mitbewohnern oft nicht leicht machten ein sorgloses Leben zu genießen. Aber dann hat man die Schweinezucht eingeführt und fortan war Schluss mit Schlange.

So ganz habe ich das nicht verstanden, denn Schlangen gehören meines Wissens nicht auf den Speiseplan von intelligenten Hausschweinen. Aber es ist ja auch nur eine Legende, die in erster Linie die Herkunft des Namens Haean erklären soll. Hae bedeutet nämlich Schwein, und an bedeutet Frieden´. Also Schweinefriedlich.

Wie schon geschrieben ging es hier im Koreakrieg alles andere als friedlich zu. Und auch danach nicht wirklich. Aber daraus schlägt die Punchbowl enorm touristisches Kapital. Es gibt drei Attraktionen hier, das Kriegsmuseum, eine Aussichtsplattform, von der man einen Blick auf Nordkorea erhaschen kann, und einen der vier entdeckten Tunnel, welche die nordkoreanische Armee wegen Invasionsgelüste in Richtung Südkorea getrieben haben. Diese Attraktionen standen in genau dieser Reihenfolge auf unserem Vormittagsprogramm. Absolviert haben wir es mit dem Bus, da Fahrräder zumindest bis zu der Plattform und dem Tunnel nicht erlaubt und die Wege dorthin ohnehin viel zu steil für ein Velo sind.

Also erst das Museum. Viel altes und schweres Kriegsgerät am Eingang, innerhalb dann Exponate der Infanterie und ein Überblick über den gesamten Kriegsablauf. Beklemmend! Was für mich am meisten beklemmend war: Ich habe bereits ein sehr ähnliches Museum besucht. Das war 2004 in Dandong, einer chinesischen Grenzstadt zu Nordkorea. Dort wird einem der Krieg nämlich aus einer ganz anderen Perspektive vermittelt. Wem soll ich denn nun glauben? Hüben oder drüben? Ich habe mich für keine der beiden Seiten entschieden und überlasse es dem Leser, welche Seite ich mit hüben und drüben meine.

Nach dem Museum der Tunnel und die Aussichtsplattform. Über beide Attraktionen hatte ich bereits 2012 berichtet, das muss ich hier nicht nochmals wiederholen. Besichtigungen abgeschlossen, aber es war erst Mittagszeit. Und wieder hatte Sugi eine Idee für den Rest des Tages. In der Nähe von Haean gäbe es ein Festival, dessen letzter Tag heute ist und welches wir doch in Augenschein nehmen könnten. Keine Frage, das nehmen wir natürlich mit! Also nach dem Mittagessen wieder rein in den Bus. Schnell stellte sich heraus, dass „in der Nähe“ eine einfache Fahrt von über 30 Kilometer bedeutete, wir fast die ganze Strecke des gestrigen Tages nochmal aus der Busperspektive erleben konnten und am Ende in Yanggu enden. Yanggu ist Hauptstadt des gleichnamigen Kreises, in dem sich Haean befindet. Oder Bangsan, wo wir vorgestern waren.

Reichliches Gewimmel auf dem Sportplatz von Yanggu. Wie sich heraus stellte ist das Fest eine Art Wettbewerb unter den Orten des Landkreises. In verschiedenen sportlichen Disziplinen wurde gegeneinander angetreten. Aber heute war schon alles gelaufen und es gab lediglich eine Gesangsdarbietung. Ein etwas skurril kostümierter Mann heizte der älteren Generation kräftig ein (siehe Bilder unten). Vor dem Sportplatz gab es Marktstände und das Militär präsentierte sich. Gepanzerte Fahrzeuge durften ausgiebig inspiziert werden, sehr zur Freude der Kiddies. Und man konnte mit Sturmgewehren Platzpatronen auf Pappkameraden verballern. Sehr zur Freude von Eric, der mehrmals anlegte und sich dabei an seine Zeit beim Militär zurück erinnerte. Keine Frage, die Armee besitzt in Südkorea einen hohen Stellenwert und ein hohes Ansehen in der Bevölkerung. Man darf dabei auch nicht vergessen, dass das Land vor und lange Zeit nach dem Krieg keineswegs eine Demokratie war, sondern eine Militärdiktatur.

Wir hatten uns satt gesehen und gehört, aber noch nichts zu Abend gegessen. Daher Rückfahrt nach Haean, wo unsere Gastfamilie zum Abendessen ins Wohnzimmer einlud. Das haben wir mal wieder auf dem Boden sitzend an den niedrigen Tischen zu uns genommen. Nach der Völlerei hatten wir die nötige Bettschwere erreicht. Also Matratzen auf dem beheizten Boden ausrollen und gute Nacht!

(Fotos von Eberhard und Eric)


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