Crashkurs

Die Drei Schluchten des Yangzi, 09.09. bis 04.10.2015

Regen und Rüttelpiste von Ankang bis nach Pingli

Der Wetterbericht hat ja nun schon seit einigen Tagen dunkle Wolken am Horizont heraufziehen lassen und heute ist es nun wohl endgültig so weit. Die Fahrt nach Ankang war wohl nur ein Vorgeschmack und gestern schien ja dann auch nochmal die Sonne. Heute morgen pladdert es aber mächtig vom Himmel und gestern habe ich auf einer Gesamtwetterkarte von China genau unser Dreiprovinzeneck zwischen Shaanxi, Hubei und Chongqing als regenreichste Zone des gesamten Landes ausgemacht. Die Vorfreude auf die heutige Radetappe hält sich entsprechend in Grenzen und jeder ist erstmal beschäftigt, seinen individuellen Stil bei der Regenschutzbekleidung zu finden. Festes Schuhwerk, Überzieher, Sandale mit Socke und Plastetüte, oder doch lieber pur? Und so setzt sich das Spielchen weiter fort bis zur Kopfbedeckung.

Als wir dann endlich unsere Räder satteln – gestern nochmal geputzt, aber das glaubt mir natürlich heute keiner mehr – hat der Regen zum Glück schon etwas nachgelassen und für heute bleibt es bei einem mal stärker, mal schwächer werdenden Nieselregen. Die knapp 70 Kilometer lange Strecke nach Pingli war abgesehen von der Stadtausfahrt einmal eine nette, ruhige und gut zu fahrende Straße, zumindest habe ich das noch so von vor 2 Jahren in Erinnerung. Doch irgendwann kam der Bau einer benachbarten Autobahn und mittlerweile haben die Baustellenlaster den Straßenbelag gekillt. Dass unsere bisherige Reise erfreulich wartungsarm verlief, ändert sich heute schlagartig. Zwei zerlegte Schutzbleche und zwei Platten sind die Bilanz des Tages. In der Mittagspause könnten wir vielleicht schnell noch zwei Schutzblechhälften für eine mögliche spätere Reparatur vorbohren lassen, also werden wir beim Grobmechaniker des Ortes vorstellig. Er holt seinen feinsten Bohrer raus, das Bohrfutter wird mit Hammer und Meißel festgezogen und obwohl seine alte Ständerbohrmaschine in der dunkelsten Ecke der Werkstatt steht, sitzen die Löcher tadellos, da kann man nichts sagen.

Wir halten uns aber erstmal nicht weiter mit Reparaturen auf, sondern sehen zu, dass wir weiter und an unser Ziel kommen, denn so richtig gemütlich ist heute draußen ja nicht. Außerdem steht morgen die Königsetappe an und die noch dazu mit drei Fragezeichen, da der größte Teil der Strecke Baustelle sein soll. Als Alternativen gibt es das Auto oder eine Umgehungsstrecke von zusätzlichen 30 km und geschätzten 2000 Höhenmetern, wenn man sich die Ausführungen der Ortskundigen so anhört. Momentan sind aber noch alle gewillt, es auf der Standardvariante zu versuchen, also schauen wir mal.


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Männer, die auf Berge starren

Die Oberen Schluchten des Mekongs, 15.09. bis 07.10.2015

Tagesausflug zum Feilai Si

Der Kawa Karpo. 6.740 Meter hoch. Ein Turm über dem Mekong-Tal, das er fast 5.000 Meter überragt. Ein scheuer Geselle, der heilige Berg. Eine Gruppe tibetischer Pilger verbeugen sich gen Nebelwand. Da muss er sein, der Berg, der heilige, den die Pilger so verehren und selbst hinter einer Wolkenwand sicher verorten.

Ich habe ein Deja-Vu! Vor zehn Jahren, zusammen mit Andreas, warteten wir schon einmal auf die Berggottheit, auf das sie sich entkleidet:

Über dem Tal thront das Kawa-Karpo-Massiv, dessen höchster Gipfel, der Kagebo, 6.740 Meter hoch ist. Direkt gegenüber, auf der diesseitigen Seite des Mekong markieren eine Gruppe von acht Stupas und eine Ansammlung von Teehäusern einen luftigen Aussichtspunkt, der einen unverstellten Blick auf den Kawa Karpo verspricht. (…) Eine dichte Wolkendecke verhüllt das Kawa-Karpo-Massiv, auch der Mekong ist zwar als entferntes Rauschen zu hören, aber leider nicht zu sehen.

Das scheint wohl öfter der Fall zu sein, da entlang der Straße ein gutes Dutzend hölzerner Teestuben mit Aussichtsterrasse für auf klares Wetter wartende Reisende einfache Speisen und heißen Tee anbieten. Wir machen es uns am Fenster einer der Teestuben gemütlich und bestellen eine Kanne halbfermentierten Oulong-Tee und ein paar Snacks. Alle paar Minuten beugt sich einer von uns aus dem Fenster und spät nach einem Wolkenloch. In der Zwischenzeit füllt die Bedienung immer wieder unsere Teekanne. Der zweite Aufguss – dichte Wolkendecke. Der dritte – aus einer Wolkenlücke lugt eine Bergspitze hervor. Der vierte – die Sonne bricht durch die Wolkenwand und der Mingyong-Gletscher ist in gleißendes Licht getaucht. Das schneebedeckte Kawa-Karpo-Massiv ist nun gut sichtbar. Nur vor dem Kagebo hängt noch eine Wolkenwand. Der fünfte Aufguss. Ein kleines Wölkchen noch! Zieht das nicht gerade nach oben? Wir starren gebannt aus dem Fenster. Der Tee drückt auf die Blase. Nicht jetzt! Ein kleiner Windstoß noch! Nach weiteren fünf Minuten Warten entspannen wir uns wieder, bestellen nun jeder ein Bier, eine Portion frittierten Yakschinken und ein paar Erdnüsse und geben auf. Tatsächlich ziehen weitere Wolken vor den Kagebo, und dann kündigt sich die einbrechende Dämmerung an. Wir zahlen, wuchten unsere Knoblauch-Teewasser-Yakschinken-Bierbäuche auf die Fahrräder und werfen auf der Rückfahrt noch einmal einen Blick ins Mekong-Tal. Nebel! Oder Wolken? Der Fluss muss jedenfalls noch bis morgen warten!

Nun, so ähnlich war es auch heute!

Gebannt starrten wir auf das Bergmassiv, riefen uns zu, wenn wieder ein Stück blauer Himmel zu sehen war.

Aber der Berg blieb schüchtern.

Man kann nicht alles haben!