Genuß

Auf dem Dach der Welt, vom 14.04. – 09.05.2011

Die letzte gemeinsame Etappe, und wir genießen es. Das Wetter spielt mit und der letzte 800 Meter Anstieg erscheint harmlos, nach dem, was wir in Tibet gefahren sind.

Und im Dulikhel Mountain Resort feiern wir bei einer Flasche Moet & Chardon Abschied und meinen 30.000sten Rad-Kilometer in der VR China, den ich irgendwo vorgestern unter meine Reifen gebracht habe.

Das Leben ist schön!


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Schußfahrt ins Glück!

Auf dem Dach der Welt, vom 14.04. – 09.05.2011

Ein kleiner Anstieg noch. 80 Höhenmeter. Dann haben wir die Bergspitze erreicht. Es geht bergab! Heute erst einmal 2.600 Höhenmeter. Ohne Gegensteigung! (na ja, fast).

Da, ein Baum! Ein Busch! Blumen! Rhododendron, rot und weiss! Und was prickelt da in unseren Lungen? Ist das der Geschmack von Sauerstoff?

Kurzum, wir genießen es, im freien Fall in Richtung Nepal zu rollen. Kurz vor der Grenze dann Zhangmu, und siehe da, der Grenzort, ehemals verrufen, hat sich gemausert! Ein gutes Dutzend herzeigbare Hotels, sogar eine schicke Jugendherberge, und unzählige Restaurants, die nach leckerem Essen ausschauen. Beim nächsten Mal werden wir wohl in Zhangmu, nicht in Nylam übernachten.

Die Ausreise aus Tibet gestaltet sich leider nicht so problemlos. Der chinesische Zoll macht sich ein Vergnügen daraus, das Gepäck zu untersuchen. Der Tibet Lonely Planet wird konfisziert (nicht schade darum) und eine Seite des Trescher Tibet Führers muss daran glauben (ich hatte das Manuskript vor der Veröffentlichung gegengelesen und hätte die Seite gerne auch draußen gehabt, es ging um die unendliche Weisheit des Dalai Lamas). Trotzdem, das ist Schikane, und so bestätigt man unnötigerweise das Klischee der oppressiven Besatzungsmacht.

In Nepal begrüßt uns dann mit Baskar ein ausgezeichneter lokaler Reiseleiter und wir machen auf den letzten 15 Kilometern die Erfahrung, was es heißt, von einem autokratischen reichen Land in ein pseudo-demokratisches armes Land zu fahren: Die Straßen werden schlechter und die Leute ärmer. So rumpeln wir in Richtung Last Resort, unserer Übernachtungsstation, warten eine Stunde bei gutem Bier, bis sich eine Gruppe von Israelis eine Brücke heruntergestürzt hat (das Last Resort hat ein spektakuläres 160 m Bungee Jumping, sehr empfehlenswert, habe ich vor drei Jahren einmal ausprobiert) und sitzen dann bei einer Flasche Wein und wärmen uns. Wir haben es geschafft!


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Das Loch am Ende der Welt

Auf dem Dach der Welt, vom 14.04. – 09.05.2011

Wir haben den Tiefpunft erreicht! Erst einmal buchstäblich, denn seit einer Woche sind wir zum ersten Mal wieder unter 4.000 Metern Höhe. Aber auch, was das Hotel angeht. Ach, was sage ich, die Absteige. In meinen mehr als 20 Jahren in Asien bin ich schon in vielen Löchern abgestiegen, aber das sogenannte Guesthouse in Nyalam toppt alles. Überhaupt Nylam: Hier muss jeder durch und Zhangmu, die Grenzstadt, hat einen noch schlechteren Ruf (zu unrecht, wie sich herausstellen wird). Also wird hier abgezockt, was das Zeug hält: Hotel oder Restaurant hingestellt und dann langsam aber profitabel verrotten lassen. Bevor jetzt der Einwand kommt, das liegt an den Chinesen, die in Tibet nur den Profit sehen: Nylam ist fest in tibetischer Hand, die Abzockerei ist höchst lokal.

Das bringt mich zu unserem tibetischen lokalen Reiseführer. Aufmerksame Leser werden sich gewundert haben, warum er im Blog nicht auftaucht. Er ist auch real höchst abwesend. Alle Versuche, ihn dazu bewegen, sich mal beim Essen zu uns zu setzen, schlagen fehl, alle tiefer gehenden Fragen haben ein beredtes Schweigen zur Folge. Meist ist er schlicht und ergreifend nicht da.

Immerhin, er ist stolz, ein Tibeter zu sein. Und bringt es noch nicht einmal fertig, einfache tibetische Sitten und Bräuche zu erklären.

Den Vogel schießt er dann heute ab. Während Sabine, Heinz und ich in ziemlichen Verschlägen nächtigen, pickt er sich zielsicher das einzig akzeptable Zimmer raus.

Morgen wird er sich mit den Worten verabschieden: Now my duty is over. Eine Pflicht. Als Tibeter wäre ich ja so erpicht wie möglich, meine Kultur den Besuchern nahezubringen. Schade! Der Mann arbeitet auf jeden Fall zum letzten Mal für uns.

Aber es gab auch noch das eine oder andere Highlight heute. Die Fahrt auf den letzten, immerhin 5.120 Meter hohen Pass. Die erste atemberaubende Abfahrt (36 km/h Durchschnitt), die dann jäh vom Gegenwind gestoppt wird. (12,5 km/h bei durchschnittlich 5 Prozent Gefälle).  Und von außen sieht unser Guesthouse gar nicht so schlecht aus.


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Vernunft und Heiße Quellen

Auf dem Dach der Welt, vom 14.04. – 09.05.2011

Unser Hotel hat einen unschlagbaren Vorteil: Es hat den Blick auf den Mt. Everest. Das weiss man auch im Management und verlangt ein Heidengeld für die Übernachtung und überlässt den Schuppen dann sich selbst.

Derweil hustet Heinz ganze Wände durch und Sabine, die studierte Pharmazeutin zieht die chemische Notbremse. Ein Breitbandantibiotikum soll den Boden bereiten, aber es braucht noch mehr: Wärme.

Also halten wir Kriegsrat und ich ziehe die unschlagbare Trumphkarte: 80 km entfernt gibt es ein Hotel mit heißen Quellen. Der Schlachtplan ist folgender: Wir gönnen Beinen und Lungen eine Pause, sparen uns eine Übernachtung am Basecamp und nehmen das Begleitfahrzeug bis nach Tsamda, wo besagtes Hotel mit den heißen Quellen liegt. Dann wärmen wir uns auf, überbrücken noch eine Etappe mit dem Fahrzeug, um dann den letzten Pass gemeinsam anzugehen, die Abfahrt mitzunehmen und dann zwei Tage früher in Nepal zu sein, um subtropische Luft zu schnuppern. In Tibet braucht es manchmal Vernunftentscheidungen, und wir sind uns glücklicherweise einig. Kein Mensch braucht eine Lungenentzündung auf 5.000 Meter Höhe!

Zuvor fahren wir aber noch zum Mt. Everest Basecamp, verschießen ein gutes Dutzend virtuelle Filmrollen, erfreuen uns an dem Anblick des wolkenfreien Berges und beachten auch das Schild: „Beware of resting mountaineers“. Ruhig liegen die verschiedenen Basecamps in der Sonne, die besagten Bergsteiger sind wohl auf dem Berg oder in der Koje. Immerhin sechs Wochen dauert eine durchschnittliche Gipfelbesteigung. Sechs Wochen, in denen es hoch und runter geht, mit verschiedenen Camps auf stetig steigender Höhe, wie ich seit der Lektüre von Jon Krakauers Bericht „In luftigen Höhen“ weiss. Was sind wird doch für Weicheier!

Das wäre dann zumindest für Heinz und mich auch das Stichwort, denn die folgende Autofahrt stellt höchste Anforderungen an Hinterbacken und vorgelagerte Teile. Wir sind uns einig: Mit dem Fahrrad ist diese Strecke nicht zu schaffen. Mit dem Auto schafft sie einen. Aber was für eine Kulisse! Immer wieder tauchen die schneebedeckten Berge hinter der für tibetische Verhältnisse fast schon lieblichen Landschaft auf. Yakherden grasen auf den spärlichen Wiesen. In den wenigen Dörfern ist ein Auto eine kleine Sensation.

Und dann haben wir plötzlich wieder Asphalt unter den Reifen. Ein paar wenige Kilometer noch, dann liegen wir in einer Thermalquelle und lassen es uns gut gehen. Nebenan vergnügen sich die Schönen und die Reichen des nahe gelegenen Ortes im warmen Wasser. Der Sonnenuntergang bietet dann den Blick auf vier Achttausender: Everest, Makalu, Cho Oyo und Lotse. Den fünften, den Shishapangma, werden wir morgen sehen!


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Weil er da ist!

Auf dem Dach der Welt, vom 14.04. – 09.05.2011

Die Kältewelle hält an. Immerhin, die Sonne scheint und es scheint ein klarer Tag zu werden. Das ist wichtig, denn wir fahren die nächten zwei Tage in Richtung Mt. Everest Base Camp. Warum? „Weil er da ist, der Berg!“, wie der Kollege Malleroy (und nicht wie fälschlicherweise, auch von mir in meinem letzten Blog kolportiert, Sir Edmund Hillary) erklärt hat, warum er den Mt. Everest besteigen wolle. Zwischen Bergfuß und unserem Standpunkt liegen 120 km Piste, das einzig nicht alphaltierte Teilstück unserer Tour. Und ein 5.100 Meter Pass. Na dann, Berg heil!

Aber erst einmal rollt es gut dahin auf Flüsterasphalt, die ersten 10 Kilometer radeln wir noch auf dem Friendship Highway. Dann zweigt ein Feldweg ab, der extra für den olympischen Fackellauf 2008 neu ausgebaut wurde. Seitdem ist viel Schotter den Berg heruntergegangen und der Weg stellt tatsächlich eine radfahrerische Herausforderung dar. Vor allen Dingen, weil es ziemlich schnell recht knackig bergauf geht. Diesmal ist Sabine die Heldin und hält tatsächlich durch! 75 Kilometer auf schwieriger Piste, mit einem Pass, der sich dann doch als 5.200er entpuppt, und einer Abfahrt, die Mark und Bein erschüttert. Dieselbige wird mir zum Verhängnis. Mein so geliebtes und treues Koga-Rad ist nun (und von mir ja auch so gewollt) kein Mountain Bike, und so zieht es mir in einer besonders holprig-sandigen Kurve das Vorderrad weg. Mehr als eine Schramme am Knie und ein paar blauen Flecken ist nicht passiert, aber die Etappe ist für mich mental erst einmal zu Ende. Sabine und Heinz sind derweil in ihrem Element und reizen ihre Mountainbikes voll aus. Und Sabine wird am Ende die einzige sein, die die Etappe inklusive Pass komplett gefahren ist. Kompliment!

Unsere Unterkunft ist heute eine gemütliche tibetische Familienpension mit Blick auf den Mt. Everest (wenn man vom Plumsklo über eine Leiter auf das Dach steigt). Wir sind mittendrin im Familienleben, es ist warm und das Essen mit Liebe und Geschmack zubereitet.

Am nächsten Tag ruft dann der Berg, wir verabschieden uns von unserer Gastfamilie und radeln weiter in Richtung Basecamp. Gleißend steht der Mt. Everest vor uns in der Sonne, der Wind ist still und die Piste wie am Vortag. Aber was sind schon ein paar Bodenwellen, wenn der höchste Berg der Welt einen anlacht!? Auf die Dauer dann doch entnervend. Gegen Mittag dreht dann auch noch der Wind und bläst uns mit Orkanstärke entgegen. Gibt man 5 Kilometer vor dem Ziel auf und steigt ins Auto? Vernünftigerweise schon, wenn es 12 Prozent Steigung und eiskalten Gegenwind hat, die Gesundheit angeschlagen ist und es selbst bei höchsten Pedaleinsatz nicht mehr vorwärts geht. Meinen jedenfall Sabine, Heinz und ich und gönnen uns dann ein „schmutziges Bier“ auf der herrlich warmen Aussichtsterrasse des ansonsten jedoch ziemlich bescheidenen Hotels. Vor uns die Everest-Nordwand und die Flanke des Lotse. In den Knochen 100 Kilometer tibetischer Feldweg. Es gibt schlimmere Momente im Leben!


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Der Mann mit der Mütze

Auf dem Dach der Welt, vom 14.04. – 09.05.2011

Da sitzt er. Tief gebeugt über einer dampfenden Tasse Tee. Die Mütze tief ins Gesicht gezogen, bis zur Sonnenbrille, die er auch jetzt noch, am späten Abend trägt. Ein Sonnenallergiker? Ein Sonderling? Ein chinesischer Dissident auf der Flucht?

Wir werden es nicht erfahren, denn der Mann kommt und geht wort- und grußlos und schlürft nur schnell eine Nudelsuppe im Hotelrestaurant. Vielleicht ist ihm auch einfach nur kalt. Da sind wir jetzt beim Thema.

Lange habe ich heute durchgehalten auf dem Rad, auf dem Weg zum Dach der Tour. Der Gyatso La (5.250 m) rief, und er rief nicht nur, sondern blies uns mit eiskaltem Atem entgegen. „Wind Chill Factor“ sagt man auf Englisch, der „Windkältefaktor“, das ist die negativ gefühlte Temperatur, wenn kalter Wind weht. Also in unserem Fall -5 Grad Außentemperatur minus ca. 20 Grad Wind Chill, macht gefühlte minus 25 Grad. Sabine, die sonst eigentlich immer alles fährt, schmeißt zusammen mit dem immer noch angeschlagenen Heinz recht früh das Handtuch, ich fühle mich eigentlich gut und quäle mich den immer steiler werdenden Pass auch bei den ersten Schneeflocken bis auf 4.900 m Höhe. Lade dann, weil das Begleitfahrzeug noch Einiges hinter mir ist, auf einen tibetischen Trekker um. Als der allerdings die Getreidesäcke eines ganzen Dorfes aufnimmt, warte ich auf das Begleitfahrzeug und gebe ebenfalls auf. Nicht aus Erschöpfung, es ist einfach zu kalt. Der Rhythmus „Treten, Einfrieren, Zurückrollen“ ist auf Dauer auszehrend. „Aber bergab fahre ich wieder!“, sage ich noch und verwerfe den Plan direkt auf dem Pass, als uns ein mit Eiszapfen gefüllt zu scheinender Wind entgegen bläst. Schade, denn da geht es wunderbar asphaltiert bergab, bis nach Baipa, dass auf 4.300 Metern Höhe liegt.

Dort laden wir ab, steigen im frisch renovierten und daher erstaunlich guten und vor allem heizbaren Baipa Hotel ab und wärmen uns. Erst unter der Bettdecke, dann der Dusche und schließlich unter einem Heizpilz im Hotelrestaurant. Eine Stadtbegehung des kleinen Wildweststädtchens haben wir wegen eines Eis-Sand-Sturmes abgebrochen.


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Wie Vögel gegen den Wind

Auf dem Dach der Welt, vom 14.04. – 09.05.2011

Heute hat uns der Hafer gestochen. Oder eher die Gerste, da man diese hier in Tibet eher isst. Obwohl – zum Frühstück taucht die obligatorische Tsampa, als Pulver, Brei oder wie auch immer, nicht auf, leider! Im chinesischen Kernland ist das Hotel-Frühstück oft schon jenseits von nahrhaft. In Tibet können wir eigentlich komplett darauf verzichten und verdrücken lieber Unmengen von Bananen, Äpfeln, Keksen und Müsliriegeln als Start des Tages. Dazu ein Instantkaffee oder ein frisch aufgebrühter Tee – und dann kann das tibetische Hochland kommen!
Heute kommt es besonders stark. Heinz legt eine Bronchitis bedingte Ruhepause ein und steigt auf das Begleitfahrzeug um. Und Sabine und mich sticht besagte Gerste. Bei der ersten Pause auf dem ersten Pass, der eher bescheiden und ohne viel Gegenwind daherkommt, rechne ich vor: Insgesamt 105 Kilometer bis zur nächsten Passhöhe, das ist zu schaffen. Dann nur noch 40 km strikt bergab. Können wir schaffen, müssen aber nicht. Auf jeden Fall hätte Heinz dadurch eine zugige Dorfübernachtung gespart und wir könnten unsere diversen grösseren und kleinen Wehwehchen bei einem zusätzlichen Ruhetag pflegen und wären trotzdem geradelt. Spätestens zur Mittagspause in Longma und mit einem Blick auf das Gasthaus, das sicherlich unter normalen Umständen erträglich wäre, aber eben mit zugigem Aussenklo und spartanischem Komfort daherkommt, ist Sabine überzeugt.

Also stärken wir uns mit Nudelsuppe und Eierreis, schnüren die Jacken zu und radeln los. Strikt bergan, über 40 Kilometer, durch ein karges Hochtal, dass aber durchaus seinen Reiz hat, mal mit dem Wind, mal gegen den Wind. Und es geht uns gut. Der finale Anstieg lacht und wäre wohl nur noch eine Formalie, wäre da nicht der Wind, der am Hang festhängt und stetig gegen uns bläst. Wir werden zum beliebten Fotomodell mehrerer chinesischer Tourgruppen, lassen Yak und Felder unter uns liegen und stehen schliesslich auf dem Pass. Auf 4.520 Metern Hoehe. Bei fast 0 Grad. Die Abfahrt gönnen wir uns noch, 10 Kilometer Schussfahrt, dann haben wir genug. 123 Kilometer zeigt der Tacho an, die restlichen 25 Kilometer locken zwar, doch die Kälte spricht für ein warmes Hotelzimmer. In Lhatse hat das Hotel zwar sämtliche Klimaanlagen (die ja auch als Heizung dienen können) abmontiert, nur die Halterungen hängen noch an der Wand. Aber es gibt Heizdecken!!! Das warme Bett verlassen wir nur noch auf ein schmackhaftes Sichuan-Mahl, dann fallen wir wohlig in die Federn. Und träumen von warmem Wetter.


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Wer hat Angst vorm Panchen Lama?

Auf dem Dach der Welt, vom 14.04. – 09.05.2011

Shigatse ist eine komplett andere Stadt als Lhasa. Weniger geplant als mehr gewachsen, keine sichtbare Militärpräsenz, ein deutliches Nebeneinander und zuweilen Miteinander von Chinesen und Tibetern. Shigatse lebt, und das wohl nicht zu schlecht.

Traditionell war in Shigatse der Sitz des Panchen Lama. Der ist rein religiös gesehen in der Hierachie oberhalb des Dalai Lama angesiedelt. Der Panchen Lama ist die Reinkarnation des Amitava, einem Buddha, der im Kunlun-Gebirge (etwa 1000 Kilometer Luftlinie in Richtung Westen von hier) dem Paradies vorsitzt. Der Dalai Lama „nur“ die Reinkarnation des Avalokitisvara, in China auch Guanyin und in Tibet Chenresi genannt. Also einem dem Amitava unter- und zugeordnetem Boddisattva. Einem Menschen, der die Erleuchtung erlangt und aus Nächstenliebe auf den Eingang ins Nirvana verzichtet hat. Warum auch Amitava wiedergeboren wird, obwohl als Buddha eigentlich im Nirvana nicht mehr für unsere Welt der Illusionen zuständig, ist eine gute Frage, die eine ebenso einfache Antwort hat: Nehmt alles nicht so ernst, der gute Buddha ist ein transzedentaler, also irgendwie dann doch von unserer Welt, wenn auch nur als Prinzip. Und da behaupte noch jemand, die christliche Religion wäre kompliziert!

Der Buddhismus hat also auch seine Fallstricke und einer der größten liegt in der Dualität von Panchen und Dalai Lama. Besonders grün waren sich beide nie so richtig, der Panchen Lama als nominell wichtigste Figur in Tibet, der Dalai Lama als vom Volke verehrte Reinkarnation eines grundgütigen Boddisattvas. Wer sich in Tibet Einfluß verschaffen wollte, musste diesen schwelenden Konflikt ausnutzen, und das haben die Chinesen bis zur Meisterschaft zelibriert, schon lange, bevor die volkschinesischen Truppen nach Lhasa marschiert sind.

Soviel ist auf jeden Fall klar: Der Panschen Lama residierte in Shigatse und der Dalai Lama in Lhasa. Der letzte von allen Fraktionen anerkannte, nominell 10. Panschen Lama, galt als pro-chinesisch. Der amtierende 14. Dalai Lama eher nicht. Jetzt wird es schwierig: Der amtierende Panschen Lama wählt den Nachfolger des Dalai Lamas und umgekehrt. Das ging bei der Wahl des 11. Panschen Lamas schon einmal ziemlich schief, und wird bei der Suche eines Nachfolgers des jetzigen Dalai Lamas zu einem großen Zerwürfnis führen. Denn es gibt zwei Reinkarnationen des Panschen Lamas, über die sich Chinesen und Tibeter, aber auch die verschiedenen Fraktionen der Tibeter nicht einigen können. Wer bestimmt dann über den neuen Dalai Lama und wird dieser dann ein sinophiler Robenträger?

Lange Rede, kurzer Sinn: Es bleibt schwierig, und auch der Panschen Lama war kein Kostverächter, wie wir bei der Besichtigung des Tashilhunpo, der seiner Residenz erleben können. Viel Gold und Glitter verziert die Ruhestätten vergangener Panschen Lamas. Selbst die Pilger scheinen im Sonntagsstaat gekommen zu sein und bringen meist Familie mit. Der Tashilhunpo war sicherlich das aktivste tibetische Kloster, das wir bisher besichtigt haben. Trotzdem wirkt es eher wie eine Manifestation weltlicher Macht als ein Ort der Einkehr und Transzendenz.

Am Abend fröhnen auch wir den weltlichen Genüssen und lassen uns einen Hotpot nach Sichuan Art schmecken: Ein zweiteiliger (scharf und sehr scharf) Topf auf Gasflamme, in den dann je nach Vorliebe Fleisch, Gemüse und Meeresfrüchte geschmissen wird. Wärmt und desinfiziert. Und stärkt für die nächsten Pässe!

Ab morgen radeln wir durch eine der ärmsten Regionen Tibets. Mit dem Internet wird es dann sehr schwierig. Am Mount Everest Basecamp gibt es zwar Handyempfang, aber wohl kein Internet Café. Es kann also sein, dass ihr erst wieder aus Nepal von mir hört.

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Den Bäumen beim Wachsen zusehen

Auf dem Dach der Welt, vom 14.04. – 09.05.2011

In Gyantse bei unserer Abfahrt sind die Bäume kahl. In Penam Dzong bei der Mittagspause lugen die ersten Blätter aus den Ästen hervor. In Shigatse stehen die Bäume in voller Blätterpracht.

Wir schauen also den Bäumen beim Wachsen zu. Und haben dabei den fast perfekten Tag. Die Sonne scheint uns auf den Rücken, der Himmel ist klar, der Wind immer noch kalt, kommt aber nur selten von vorne. Es geht bergab. Zwar nur 200 Höhenmeter, aber immerhin! In zwei Stunden haben wir auf erstaunlich wenig befahrener Straße unseren Mittagsort erreicht. Verfrachten einen schweren Eisen-Glas-Tisch auf den breiten Bürgersteig und genießen bei gebratenem Reis und Nudelsuppen mit Rindfleisch die wärmende Sonne. Eine Gruppe Grundschüler, Tibeter wie Chinesen, kommt mit Schaufeln und Pickeln (den Werkzeugen) vorbei und leistet uns erst schüchtern, dann zunehmend aufgeschlossen Gesellschaft. In Richtung Shigatse wird die Kanalisation für ein neues Schulzentrum gebuddelt, da heißt es auch für die Schüler zupacken!

Gut gestärkt radeln wir mal an frisch umgepflügten Feldern, mal an Mondlandschaft vorbei in Richtung Shigatse, grüßen die Pappkameraden der chinesischen Polizei, die als Regulator am Straßenrand stehen, genießen es, die Handschuhe auszuziehen und die Fließjacken zu öffnen und ziehen mit dem ersten Baumgrün in Shigatse ein.

Zum Abschuß des Tages lasse ich mir dann leichtsinnigerweise von einer Dame, die wahrscheinlich anderes besser kann, im sogenannten „Friseursalon“ des Hotels die Haare auf ein Tibetmaß stutzen. „Du siehst ja aus wie ein Gockel!“ ruft die Dame aus, als sie ihr Werk betrachtet. Für Eitelkeit ist aber kein Platz. Ein Tag Mütze, und der Hahnenkamm liegt wieder eng am Schädel.


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