Namaste

Auf dem Dach der Welt, 27.09. bis 22.10.2011

Liebe Grüße aus Bangkok. Es ist nass hier, die Sois um mein Gästehaus sind überschwemmt und man muss fast knietief durch das Wasser. Von den Fluten habe ich erst im Flugzeug gelesen, auf dem Weg in die Stadt hat es zwar geregnet, aber es sah mir nicht so wild aus. Das hier ist kein Spass, keine Gäste ausser mir, vor ein paar Tagen noch gab es wohl überhaupt kein Durchkommen. Einige östliche Bezirke der Stadt sollen demnächst geflutet werden um den Druck zu verringern.

Also Grüsse, vor allem an meine tolle Gruppe, die ich verfrüht verlassen musste und die jetzt wahrscheinlich hilf- und orientierungslos durch Kathmandu irrt : ) Aber kümmern tut sich doch Explore Nepal, und das bestimmt rührend. Auf den Fotos unten sieht man Bharat, den Big Boss, und Subechhya, eine seiner Töchter. Die Familie macht das fantastisch und kundennah, in ihrem Kanthipur Temple House fühlt man sich prima aufgehoben, außerdem haben sie noch viele andere Projekte und fördern Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein, wo sie können.

Als Gruppe hatten wir viel Spaß miteinander. Die Bedingungen waren manchmal nicht einfach (Höhe, Kälte, einfachste Herbergen…) aber alle haben an einem Strang gezogen. Dass sich Silke als einzige Frau gut geschlagen hat, kann man eigentlich nicht behaupten. Man müsste eher sagen, dass wir Männer uns ganz gut geschlagen haben, Silke war ja die fitteste von allen. Wir werden uns sicher mal wieder treffen, vielleicht ja in den Niederungen der Zweiten Liga, bei den 60ern, Dynamo Dresden oder St. Pauli.

Gestern war noch die Stadteinfahrt nach Kathmandu, hat man auch selten gesehen, so etwas. Ein einziges Drunter und Drüber auf den Straßen. Wir haben uns zwischenzeitlich verloren, das Begleitfahrzeug war mit ein paar Leuten vorne, ich mit ein paar anderen hinten. Wir mussten uns dann irgendwie zum Hotel durchschlagen, das liegt sehr versteckt in der Altstadt und dort war irgendwann Schluss mit der GPS-Unterstützung (die Gassen sind einfach zu schmal und zu hoch). Ein kleines lustiges Abenteuer! Irgendwann waren wir natürlich wieder glücklich vereint und haben unseren großen Erfolg begossen (u.a. mit Tongba aka Chang, tibetischem Gerstenwein): keine Stürze, keine außergewöhnlichen Pannen. Bestes Wetter, beste Laune.

Ich hoffe die anderen haben noch eine gute Zeit in Kathmandu! Das ist eine tolle Stadt, und ich denke wir werden unsere Touren langsam auch nach Südasien ausweiten. Ich selber bin schon wieder auf dem Sprung zur nächsten Reise, in Richtung Taipeh, eben mit kurzem Stoppover in Thailand. Irgendwie mache ich in letzter Zeit nur Reisen in die chinesischen Grenzgebiete, symbolisch und geographisch – Xinjiang, Tibet, Taiwan. Wenn mich das mal nicht verdächtig macht…melde mich in ein paar Tagen wieder, mich kriegt man hier nicht so schnell los…

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In Tata-Land

Auf dem Dach der Welt, 27.09. bis 22.10.2011

Wo wir hier wieder gelandet sind! Wer meint, dass Reisen immer gleichförmiger wird und immer weniger Überraschungen bietet, etwa weil die Welt sich insgesamt immer mehr annähert, der sollte mal die Grenze von Tibet nach Nepal überschreiten. Unterschiedlichere Welten lassen sich nämlich kaum vorstellen, es ist als sei man plötzlich in einem anderen Film gelandet. Die Grenze selber war die verrückteste, die ich bisher erlebt habe. Mengen nepalesischer Frauen haben sich darum gerissen, unser Gepäck zu tragen, die Chinesen waren professionell (und wieder viel freundlicher als erwartet), die Nepalesen gemütlich und sympathisch (dazu passend: Schreibfehler sogar auf dem Visumsformular). Dann ab ins bunte Chaos.

Tibet war kühl, karg, majestätisch in seiner Landschaft. Leer und weit. Nepal ist warm, üppig, bunt. Das Leben tobt anarchisch vor sich hin. Die Leute lachen, unsere Lungen sind zum Bersten mit Sauerstoff gefüllt und wir fühlen uns fantastisch. Es ist ungemein interessant, wie sehr die Natur die menschliche Natur beeinflusst, wie sehr der Himalaya das Klima, die Kulturen, die Mentalitäten trennt. Die wortkargen Tibeter von den lebhaften Nepalesen. Lhasa Beer wird zu Everest Beer, war für uns ja auch nicht unwichtig ist.

Unsere Beherbergungen waren schön, mit den Backpackern im „Last Resort“, jetzt mit den etablierten Reisegruppen im Bergresort von Dulikhel, was sehr mondän ist. Das Last Resort ist bekannt für sein Bungee, von der Hängebrücke geht es hier 160m runter. Nur Peter hat sich freiwillig in die Tiefe gestürzt, ein Sprung von hoher Eleganz (leider von meiner Kamera nicht dokumentiert, da kurz zuvor die Batterie ihren Geist aufgegeben hat). Der Weg heute war schön und holprig: die Straße war an vielen Stellen aufgerissen bzw. von Erdrutschen verwüstet, der Verkehr war wild. Allgegenwärtig sind die Tata-LKWs und –Überlandbusse, vollbeladen deren Innenräume und Dächer. Tata ist ein indisches Konglomerat, der größte Stahlproduzent der Welt und auch ein erfolgreicher Autobauer. In Nepal und wohl auch in Indien ist Tata überall präsent, bei uns unbekannt (obwohl man kürzlich Jaguar und Land Rover geschluckt hat).

Die LKWs sind lustig bemalt und mit einfallsreichen Hupen ausgestattet, deshalb will man ihnen fast verzeihen, dass sie einen ständig über den Haufen fahren wollen. Falls vor die Wahl gestellt: den Führerschein sollte man in Nepal und nicht in Tibet machen, dann hat man die Feuertaufe überstanden. In Tibet erschrecken die Fahrer vor jedem anderen Auto, so wenig ist da los. Morgen wird für uns noch mal extremer, Stadteinfahrt nach Kathmandu.


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Wind

Auf dem Dach der Welt, 27.09. bis 22.10.2011

Wind: das war heute unser Thema. Unsere beiden Begleiter heißen wörtlich „Wind“ (Lhacba): Lhacba Woesel, unser Guide und Lhacba Tsering, unser Fahrer. Bis heute war das ein gutes Omen, denn der Wind kam fast immer aus der richtigen Richtung und das Wetter war uns ohnehin hold. Obwohl wir also heute schwer mit dem Wind zu kämpfen hatten, dürfen wir nicht beleidigt sein sondern sollten demütig bleiben.

Es war jedenfalls in jeder Hinsicht ein Tag der Extreme. Im morgendlichen Frost sind wir noch in den Schneebergen gefahren, über unsere letzten beiden 5000er rüber. Vom letzten Pass, dem Tsang La, hatten wir eine fantastische Sicht auf das Shisapangma-Massiv, der Shisapangma ist der kleinste der vierzehn 8000er und der einzige, der vollständig auf chinesischem Territorium liegt. Wir haben in letzter Zeit einige der ganz großen Berge gesehen, diesen hier fand ich am schönsten. Dann die Abfahrt, die immer mehr vom Wind gebremst wurde. Auf dem Papier ist die Strecke von Tibet nach Nepal runter die längste Abfahrt der Welt (insgesamt über 4000 Höhenmeter lang), tatsächlich kamen wir teilweise kaum voran und mussten treten was das Zeug hält. Erst als es gegen Abend richtig steil wurde und wir durch eine immer grüner werdende Schlucht gefahren sind, ging es flinker voran. Landschaftlich war der heutige Tag gewaltig und unglaublich vielfältig.

Im wuseligen Grenzort Zhangmu waren wir alle kaputt, das Abschieds-Karaokesingen für unsere tibetischen Begleiter fiel bescheiden aus (nur chinesische und tibetische Lieder, da kann man dann nur zuschauen). Immerhin konnten wir uns wieder der Körperpflege widmen, warme Dusche! Wir hatten uns vom Erscheinungsbild immer mehr den kleinen Rotznasen angenähert, die uns auf den Straßen zugewinkt und angebettelt haben. Die Bettelei in Tibet ist ganz schön ernüchternd und umfasst alle Altersstufen, die Kinder können kaum stehen und begrüßen einen schon mit „Money“. Irgendwas ist da schiefgelaufen, ich kann mir auch gar nicht vorstellen woher das in den winzigen Käffern kommt, an denen der Tourismus bis auf ein paar Radfahrer dann und wann komplett vorbeizieht.

Die Bettelei war zwar sehr präsent, aber eine Raderscheinung und nicht aufdringlich. Wir haben insgesamt eine tolle Gastfreundschaft genossen. Und es war ein sehr karges, armes Gebiet durch das wir gefahren sind. Man schleppt ja immer einen Ballast an Erinnerungen und Erwartungen mit sich rum und misst dann alles mit den entsprechenden Maßstäben, das Pendel schlägt in die eine oder andere Richtung aus. Mit Tibet sind wir jetzt durch und obwohl die Provinz zerrissen und problembeladen ist, schlägt es ganz weit nach oben aus. Es war großartig hier, auch dank der beiden Lhacbas, die immer da und immer dabei waren.


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Die Stadt der Hunde

Auf dem Dach der Welt, 27.09. bis 22.10.2011

Der Tag gestern fühlte sich nach Western an. Wir sind wir durch eine Landschaft gefahren, durch die sich selbst John Wayne nur tapsigen Schrittes bewegt hätte. Und den Ort, an den wir gekommen sind, hätte auch er nicht aufräumen können. Die Plattentektonik hat für vulkanische Aufbrüche gesorgt, außerdem stapelt sich Sediment auf Sediment: horizontal, vertikal, in alle Richtungen. Die verrücktesten Gesteinsformationen in braun und rot, soweit das Auge reicht. Am Nachmittag schließlich kam wieder der Mahalangur Himal in Sicht, das Hauptgebirge am Südrand des Himalaya.

Wir waren schon fast am Etappenziel angelangt, den heißen Quellen von Tsamda, das Hotel vor Ort stellte sich als halb abgerissen heraus, in den restlichen paar Zimmern verlustierte sich die lokale Polizei, da kann man dann wenig machen. Vor ein paar Tagen hat man uns dort noch gebucht und unser Geld genommen… Also zurück in den Ort, den wir bei der Durchfahrt noch herzlich verlacht hatten: Tingri besteht aus einer einzigen versifften verstaubten Straße und diese Straße haben die Hunde übernommen. Es gibt in Tingri mehr Hunde als Einwohner. Meistens liegen sie faul an den unmöglichsten Orten, dann rottet sich plötzlich alles zusammen und gräbt im Müll, dann wieder Pause. Glücklicherweise nicht aggressiv, und die Nacht war auch ruhiger als erwartet. Man hat sich hier miteinander arrangiert. Bei den heißen Quellen haben wir übrigens heute noch einmal vorbeigeschaut und alles war herzlich glücklich, dass uns das erspart geblieben ist.

Unsere Herberge war sogar einigermaßen anständig, Touristen sind hier keine Seltenheit: viele Bergexpeditionen starten von Tingri, vor allem zum Cho Oyu, der den gesamten Horizont beherrscht. Den Nachmittag verbrachten wir dann träge an der Straße sitzend. Hunde und Kühe liefen vorbei, ab und zu auch interessante tibetische Gestalten. Aber Strom gibt es im Ort noch nicht: Abendessen bei Kerzenlicht, wie auch zu unserer altruistische Skatrunde im Anschluss. Alle Gelder gehen in die Gruppenkasse und man erwartet nicht mal Dank dafür, obwohl das angebracht wäre.

Die Gegenden, durch die wir kommen, werden entlegener und entlegener. Kaum mehr Fahrzeuge, keine Ansiedlungen, kaum Menschen. Wir nächtigen heute in einem der ganz wenigen Straßensiedlungen des letzten Teilstücks der 318, hier ist dermaßen der Hund begraben, aber eigentlich sorgen die Hunde für die einzige Geräuschkulisse. Die Etappe heute sah auf dem Papier nach höchster Entspannung aus, dann hat nach dem Mittagessen plötzlich der Wind gedreht und uns die letzten 20km frontal erwischt. Fast 3 Stunden haben wir noch gebraucht, begleitet von regelrechten Sandstürmen. Ich hoffe mal morgen wird das anders, denn morgen wird spannend: unsere letzten richtigen Pässe und dann auf in die längste Abfahrt der Welt.


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Nubtse Schicksalsberg

Auf dem Dach der Welt, 27.09. bis 22.10.2011

Eine junge Expedition – das waren wir – hatte sich auf den Weg gemacht um das Geheimnis hinter dem wundervollen Namen Nubtse zu lüften, um den gleichnamigen Berg zu erstürmen und damit der Menschheit zum Geschenk zu machen. Es sollte scheitern.

Im Bilddokument sind die Mitglieder der Expedition festgehalten. Hoffnungsfroh und angestrengt blickt man in die Ferne, auf der Suche nach dem Nubtse. Was der aufmerksame Beobachter feststellen wird: zwei wichtige Mitglieder fehlen bereits hier! Eckhard wurde wegen Ober Mörlen-Propaganda vom chinesischen Staatsschutz festgesetzt. Er ist wieder in unseren Reihen, sein Körper ist immun gegen Schmerz (das macht das Stahlbad von 45 Deutschen Sportabzeichen), sein Geist scheint wach. Aber er ist ein wenig stiller als sonst. Man stelle sich Jack Bauer in der Serie 24 vor, und zwar als dieser aus dem chinesischen Umerziehungslager freigesetzt wird, die Staffel habe ich jetzt leider nicht mehr im Kopf…
Und dann fehlt noch Frank, der wie im Rausch dem Berg entgegenlief, der dem Berg schon nach dem ersten Blick erlegen war. Er war übrigens der einzige, der in die richtige Richtung rannte, wir dagegen schauen nach Nordnordost, zugegebenermaßen komplett orientierungslos. Der Berg liegt dabei genau hinter uns! Und zwar noch hinter dem Everest, dort windet er sich empor, der feingerippte Kamm des Nubtse.

Also erst über den Everest. Das wäre das geringste Problem gewesen. Aber wären wir auf nepalesisches Hoheitsgebiet gekommen, das hat uns nachdenklich gemacht, einen diplomatischen Eklat wollten und konnten wir nicht verursachen, nicht jetzt. Wir mussten unsere Expedition abbrechen, bevor sie recht begonnen hatte. Nubtse heißt er also, der neue Schicksalsberg der Deutschen, damit hat er das tragische Erbe des Nanga Parbat angetreten. Aber oh du schöner Nubtse, bald wirst Du uns gehören. Zunächst sind wir jedoch wieder zurück nach Baipa gebrettert, über die legendär schlechte Holperpiste. Immerhin haben wir die Tibetische Bergantilope erspäht und haben Häuptling Nasenbär mit seiner Familie einen weiteren Besuch abgestattet. In Baipa konnten wir uns auch mal wieder duschen.

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Zu Gast bei Häuptling Nasenbär

Auf dem Dach der Welt, 27.09. bis 22.10.2011

Jetzt sind drei Tage vergangen, seit ich das letzte Mal etwas geschrieben habe, natürlich ist viel passiert in der Zwischenzeit. Wir sind strapaziert und durchgeschüttelt worden. Wir haben echtes Tibet erlebt und hundertmillionen Mal den Everest fotografiert, unter anderem.

Vorgestern scheint schon lange her zu sein, aber da war uns der erste Blick auf die Himalaya-Riesen erlaubt, natürlich gleich auf die Prominenz: die „Mutter des Universums“ (tibetisch Qomolangma, 8848m) und auf den Cho Oyu (8188m) westlich davon. In frühabendlichem Licht und vor einem wolkenlosen Himmel. Dazu jede Menge 6000er und 7000er, aber die haben ja teilweise nicht mal einen Namen hier. Die Strapazen des Tages waren da natürlich endgültig vergessen. Morgens waren wir glücklich dem Eiskeller entkommen, dem großen unterkühlten Hotel von Lhatse. In den Morgenstunden ist es besonders schön zu fahren, die Welt wacht und wärmt sich auf, alles schimmert in einem besonders warmen Licht. Den Abzweig zum Indus haben wir nicht genommen: das wären 800km nach Westen gewesen, also erstmal zum Kailash, dann im Uhrzeigersinn darum herum und nach etwas über 1000km wären wir dann am Ursprung des heiligen Flusses herausgekommen, mehr oder weniger. Alles ausgeschildert.

Wir hatten wie immer Glück mit dem Wetter und sanften Wind von hinten, Serpentinen, dann drehte sich der Wind und blies immer wütender von vorne, auf den letzten Kilometern zur Passhöhe auf über 5200m waren wir ihm komplett ausgeliefert. Schließlich ein großes Glücksgefühl und ein erster Blick in Richtung der Schneeberge. Track s.u. (der Rest unserer Radlerei wurde nur unvollständig aufgezeichnet, das lasse ich hier weg).

Am nächsten Tag, nach Eintritt in das Everest-Schutzgebiet, war uns klar dass die Fahrt heute nicht weit gehen würde. Eine ungute Mischung aus Waschbrett-, Schotter- und Schlaglochpiste tat sich auf, 60km und ein weiterer 5000er vor uns. Erbarmen für Mensch und Material! Wir wurden also den Großteil des Tages nicht auf dem Rad sondern in den Begleitfahrzeugen durchgeschüttelt. Im Nest Passum waren wir dann natürlich früher als geplant, ein Glücksfall, Passum liegt in einer weiten, vom Everest beherrschten Ebene. Stimmung und Sicht sind großartig. Gäste empfängt man hier selten, die meisten Fahrzeuge fahren direkt zum Basecamp durch. Am Nachmittag sind wir umhergeschlendert, in eine Schule geraten (welche Schule liegt schon auf 4500m?), und wir haben das kleine lokale Kloster der Nyingmapa-Schule aufgestöbert. Abgelegenen Stätten wie diese sind mindestens genauso interessant als die großen Heiligtümer, hier wird man willkommen geheißen und das religiöse Leben ist ursprünglich, es stehen auch mal verbotene Fotos auf den Altären (in diesem Fall vom verschwundenen elften Panchen Lama). Später hat man uns die Tsampa-Mühlen gezeigt, die Nomaden haben gerade ihr Zelt aufgebaut, unsere Unterkunft im Ort war einfach aber sauber und sehr herzlich. Das Dorf – angeführt von Häuptling Nasenbär – saß mit uns zusammen am Yakdung-Ofen und man beglückwünschte und bestaunte sich den ganzen Abend lang.

Die Piste für den nächsten Tag war nicht besser – gut 35km Richtung Rombuk, dem höchstgelegenen Kloster der Welt. Einige Unentwegte habe es dann trotzdem gewagt und triumphiert! Eine große Leistung (ich selber bin im LKW hinterher, mein rechtes Knie macht Probleme, aber nicht schlimm). Immerhin nochmal über 700 Höhenmeter, durch Geröllwüsten, in Staub gehüllt. Aber das Ziel war ein selbstverständlich ein Großes und Erhabenes. Jetzt sind wir in einem Hotel, in dem die Übernachtung mehr als in den meisten chinesischen 4-Sterne-Läden kostet, das aber weder Wasser noch tagsüber Strom hat und noch dazu komplett heruntergewirtschaftet ist. Vor der Terrasse erhebt sich majestätisch Mount Everest. Alles war es wert und alles ist es wert!

P.S. Man beachte in diesem Zusammenhang bitte Sigis schicke Mütze.


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Stille Welt

Auf dem Dach der Welt, 27.09. bis 22.10.2011

Die letzten beiden Tage waren meditativ, was das Radfahren angeht. Wir sind auf ziemlich konstanten 4000m das Hochplateau entlanggefahren, es ging meistens geradeaus, von der Sonne beschienen, durch Landschaften von faszinierender Ödnis. Hier tritt jeder schweigend vor sich hin und geht seinen Gedanken nach, man darf wohl annehmen dass es tiefe Gedanken sind. Atem und Wind sind zu hören, manchmal auch ein Tashi Delek (das ist der tibetische Gruß) aus dem Nichts. Etwa von den kleinen Stimmen der Kinder, die auf ihre Schafs- und Ziegenherden aufpassen. Großvieh gibt es hier eher weniger, manchmal Landwirtschaft, natürlich Gerste im Endstadium der Ernte. Schön ist es, die Schattenspiele der Wolken auf den Hügelketten zu beobachten, die Wolken hängen tief und fast regungslos am Himmel.

Dabei fing der Tag gestern für einige von uns nicht gerade meditativ an, unter Franks Federführung hatte man den Tag der Republik durchexerziert und es war spät geworden. Am Abend hatten sich alle gefangen, die nächste Hüttenidylle wurde gefasst zur Kenntnis genommen und zu später Stunde fand man sich schon wieder leutselig im Blauen Salon ein und pflegte leichte Konversation. Whist wurde gespielt, Twist wurde getanzt. Die Stille Welt erwacht nachts zum Leben, insbesondere unser gestriges Straßendorf. Leider nur die Welt der Straßenhunde, kein Wunder dass die den ganzen Tag erschöpft in der Sonne liegen. Was ist nur aus den legendären tibetischen Mastiffs geworden?

Heute haben wir den 5000sten Kilometer der Staatsstraße 318 passiert, der Friendship Highway ist ja nur das letzte Teilstück dieser Straße, welche von Shanghai nach Zhangmu an der nepalesische Grenze verläuft (es ist nicht mal die längste Straße in China, die 010 von der russischen Grenze nach Hainan ist über 5700km lang!). Natürlich haben wir für ein Gedenkfoto posiert, Peter hat an seine Tochter gedacht die in Shanghai lebt und arbeitet. Nächste Woche kommt dort auch noch seine Frau zu Besuch, also alle im selben Land, trotzdem unwahrscheinlich, dass man sich über den Weg läuft.

Ich sitze gerade in einem annehmbaren Hotel, auch das wird sich ändern. Etwas kalt hier im Zimmer, aber wir sind auch schließlich auf über 4000m. Ich verschwinde jetzt mal in das Internetcafé um die Ecke. Morgen wird hart: über der Gyatso La, das ist mit 5250m der höchste Pass des Friendship Highway. Und dann in Richtung der richtig hohen Berge. Kein Internet innerhalb der nächsten Woche, nehme ich mal an…


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Schon wieder Buddhismus

Auf dem Dach der Welt, 27.09. bis 22.10.2011

Aber was will man machen, wenn man wieder ein großes Kloster besucht, wie heute: Tashilhunpo, den „Berg des Glücks“. Es ist das größte aktive Kloster Tibets und seine Geschichte ist hochdramatisch: die Gründung veranlasste der erste Dalai Lama (1447) und setzte seinen Lehrer als Abt ein, dieser gilt als der Erste der Panchen Lamas. Im Folgenden hatten die Inkarnationen des Dalai und des Panchen Lama eine konfliktreiche Geschichte, beide standen in Konkurrenz und waren doch aufeinander angewiesen. Der Panchen muss z.B. den nächsten Dalai Lama bestätigen: der heutige elfte Panchen Lama residiert in Beijing, von der VR-Regierung handverlesen. Die eigentliche Inkarnation verschwand 1995 und lebt seitdem unbekannt irgendwo im Hausarrest. Ein Grund mehr für die Prophezeiung, dass der 14. Dalai Lama auch der letzte sein wird.

Große Teile Asiens sind vom Buddhismus durchdrungen, Hoch-und Alltagskultur, alles Leben. Das könnte irgendwann langweilig werden, aber das Gegenteil ist der Fall. Weil man einerseits immer mehr davon kennenlernt und der Buddhismus andererseits sehr vielfältig ist. Tibet übt sich in Synkretismus: Elemente des südostasiatischen Hinayana („kleines Fahrzeug“) verschmelzen mit dem ostasiatischen Mahayana („großes Fahrzeug“) und werden ergänzt durch ganz eigene, tantrische Herangehensweisen, denen des Vajrayana („diamantenes Fahrzeug“).

Es ist bei allen Theorien viel beeindruckender, die Gläubigen selbst zu erleben: wie sie ihre Sanskrit-Mantras murmeln, wie sie mit ihren Gebetsketten und Gebetsmühlen um Stupas und Tempel laufen. Auf unseren Strecken flattern die Gebetsfahnen, aus den Autos regnen Papiere mit den Windpferden des Buddhismus auf uns nieder. Die weißen Kathag (Schals) wurden uns zur Begrüßung umgehängt, man sieht sie an Tempeltüren hängen und an religiös aufgeladene Stellen gewickelt. Kurz hinter Lhasa haben wir ein paar Frauen auf ihrem Pilgergang gesehen, in ständigen Niederwerfungen. Wahrscheinlich kommen sie aus Osttibet und haben schon Monate wenn nicht Jahre hinter sich, bis nach Indien oder vielleicht zum Kailash werden es weitere Jahre sein. Sie falten ihre Hände und lassen sich auf die Knie sinken, dann strecken sie sich zu voller Länge aus. Aufstehen, drei Schritte und die gleiche Prozedur. Aber angelacht haben sie uns dabei.

Hier ist alles durchdrungen vom Buddhismus, ganz egal ob die geistige Führung nun emigriert ist, ob es zunehmend Folklore wird oder ob der Staat in den meisten Entscheidungen seine Hände im Spiel hat. Meine Gruppe ist auch durchdrungen, natürlich ohne ihr Dasein im roten Staub der derzeitigen Wiedergeburt dadurch geringer zu schätzen. Helmut wollte heute mit der Rikscha ins Hotel zurück und landete in einer Seitengasse, der Fahrer hatte die Flucht ergriffen (dass wir uns hier recht verstehen: Helmut ist der netteste Mensch!). Da saß er dann wohl in der Rikscha und ist irgendwann zu Fuß los. Aber beim Abendessen war er anwesend. Jens hat ein weiteres Hausschild erobert, das wird Gudula freuen und wahrscheinlich weiß jetzt nur sie, was damit gemeint ist.

P.S. Blog hoffentlich wieder in Lhatse, in zwei Tagen. Wenn dann nicht, dann lange nicht.

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Die Zwei Säulen von Tibet

Auf dem Dach der Welt, 27.09. bis 22.10.2011

Der gemeine Tibeter will Tsampa und Buttertee, immerzu. Dazu braucht er Gerste und Yak, das sind die Zwei Säulen von Tibet!

Die Gerste wird zu Mehl gemahlen und geröstet, man kann sie dann mit allerhand Flüssigkeiten zu breiiger oder fester Konsistenz formen, man kann sie essen oder Statuen aus ihr basteln. Das wäre dann das Tsampa, gestern Abend hatten wir z.B. Pa, das ist eine Art vorgeformtes Tsampa-Brot. Besser als erwartet, aber wir mussten nicht mal selber kneten also ist das beileibe keine authentische Tsampa-Erfahrung. Man kann die Gerste natürlich auch gären lassen und bekommt dann Chang, was oft als tibetisches Bier bezeichnet wird, tatsächlich aber eher wie Federweißer schmeckt. Damit haben wir selbstverständlich schon mehr Erfahrung gemacht, u.a. als uns Laba in ein beliebiges Bauernhaus geschleppt hat und die überraschte Hausherrin sich nur mit Chang zu helfen wusste. Das also ist die Gerste.

Das Yak liefert die Butter zum Buttertee, eigentlich das Dri (die Mischung aus Rind und Yak), aber mal sollte nicht Haarspalten. Um den Buttertee sind wir bis auf eine Ausnahme herumgekommen, er schmeckt salzig und leicht ranzig, je nach Qualität der Butter eben. Aus Yakbutter formt man ebenfalls Statuen, das scheint ein tibetischer Fetisch zu sein; außerdem hält man mit ihr die Lampen in den Tempeln am Flackern. Jaja das Yak. Es liefert ja zusätzlich seine Arbeitskraft und dann das Fleisch und sein Fell, sogar sein Dung wird verwertet: an Hauswände geklatscht, getrocknet und dann im Winter verfeuert. Und über vielen Hauseingängen hängen Yakschädel.

Wir sind heute durch alle Abstufungen von Braun und Gelb gefahren, zwischen braunen Bergen und dem Gelb der abgeernteten Gerstenfeldern hindurch. Es ist Heuernte, eine pastorale Idylle, zusätzlich begünstigt durch Sonnenschein und leichten Rückenwind. Nur Klaus konnte nicht dabei sein, er kam gestern mit dicker Backe zum Abendessen und genoss sichtlich die Meinungen und Ratschläge, die um ihn herum aufbrandeten. Unserer Fahrer, der andere Laba, kennt den besten Zahnarzt von Shigatse, das hat er wenigstens behauptet und dabei seine schiefen Zähne gezeigt (unten auf dem ersten Bild, das ist er, leider sieht man sein Prachtgebiss hier nicht so). Um diesen Zahnarzt hat Klaus heute einen weiten Bogen gemacht, aber er ist trotzdem nach Shigatse vorgefahren und hat sich untersuchen lassen, nichts Ernstes sagt man.


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Schwindelgefühle

Auf dem Dach der Welt, 27.09. bis 22.10.2011

Herrlich ist es, sich auszuruhen! Sonnenschein flutet in das auf tibetisch gemachte Hotelzimmer. Vor dem Fenster ein Himmel in reinstem Blau, die Farben scheinen hier oben intensiver zu sein, ohne die üblichen Schichten von Dunst und Smog. Gyantse ist ein überschaubares Städtchen, dominiert vom Dzong, der Trutzburg des einstigen Lokaladels, und bekannt durch sein Kloster Pälkhor Chöde mit dem 35m hohen Stupa. Der Ort ist ziemlich geschäftig, es ist Erntezeit und vor allem die Gerste wird von den Feldern auf die Märkte geschafft. Schön, hier müßig herumzuschlendern und sich dabei von der Sonne bescheinen zu lassen. Die Müdigkeit und der Muskelkater stecken noch im Körper, aber die Symptome dieser hohen fremden Welt sind am abklingen. Siggi kuriert sein Bronchialsystem, Helmut arbeitet an seinen Schwindelgefühlen und Franks Pupillen flackern nicht mehr im Einklang mit seinem Puls (das taten sie gestern, wir waren natürlich besonders nett zu ihm und haben versucht, ihn nicht aufzuregen).

Unser erster Tag auf dem Rad war noch harmlos, ideal zum Einfahren: gut 60km hinaus aus der Stadt und immer den Lhasa-Fluss entlang, bis in das Dorf Qushui (Chusul). Viele Radfahrer sieht diese Gegend nicht und wenn, dann sind diese mit Zelten ausgerüstet. Die Touristen-Jeeps donnern durch den Ort hindurch, auf dem Weg nach Gyantse oder Shigatse. Wir waren also exotisch, unsere Beherbergung war jedenfalls auf die tibetische Landbevölkerung ausgerichtet. Hüttenidylle, könnte das im Katalogsprech heißen, Mehrbettzimmer ohne Bad über einem Teehaus. Erstaunlicherweise ist es ja dann meistens wirklich idyllisch, Kartenspielen, beim Wein zusammensitzen.

Der nächste Tag ging an die Grenzen. Von Qushui aus biegt man auf den südlichen Seitenarm des China-Nepal Friendship-Highway ab und klettert dann in endlosen Serpentinen dem Kampa La auf knapp 4800m entgegen. Die Steigung ist angenehm zu fahren und das Wetter war ideal (kurzes Loblied auf das Wetter: perfekte Verhältnisse bis jetzt). Aber in der Höhe muss mindestens das Doppelte an Energie investiert werden, vor allem am Anfang einer solchen Tour. Die 1200 Höhenmeter sind Anschlag. Aber trotz den Strapazen: Anflüge bislang selten erlebter Euphorie. In dieser gewaltigen Landschaft fahren zu dürfen, über den ersten hohen Pass zu kommen und dann den leuchtend blauen Yamdrok-See vor Augen zu haben!

Und gestern eine der schönsten Strecken, die ich jemals gefahren bin. Erst durch Gletscher hindurch über den 5000m-hohen Karo La, dann hinunter in das herrliche Gyantse-Tal. Es geht wie gesagt schon alles viel besser jetzt, Angehörige dürfen sich beruhigen. Einige von uns steigen für Teile der Strecke in den Bus und fahren dann später wieder, ein angenehmer Rhythmus hat sich ergeben, die Gruppe funktioniert wunderbar.


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