Mark I – V

Hafen der Düfte, 26.03. bis 10.04.2011

Das Elend des sozialen Wohnungsbaus: von luftigen Höhen konnten wir uns davon überzeugen, von all diesen Ansammlungen der charakteristisch abgeranzten, schmalen und hochaufgeschossenen Hochhäuser, die Hongkong so bestimmen. Das ist die Bühne des großen Hongkong-Kinos, John Woo, Wong Kar-wai, Tsui Hark: hässlich aber unverwechselbar. Die Stadt Hongkong ist der größte Vermieter der Welt, über 50 Prozent der Bevölkerung der Stadt wohnt in Public Housing Estates. Und der soziale Wohnungsbau ist hier kein Elend, war nur Spaß, nicht so stigmatisiert wie bei uns, sondern eine Erfolgsgeschichte. Es gab immer wieder mächtige Migrationswellen, besonders nach der Machtübername der Kommunisten auf dem Festland 1949. Danach war die Wohnsituation katastrophal, die Neuankömmlinge wohnten in selbstgezimmerten, engen Bretterbuden und hatten ständig mit Seuchen und Bränden zu kämpfen.

Mitte der 1950er begann sich die Kolonialregierung zu kümmern, in den nächsten Jahrzehnten entstanden diese Hochhäuser Marke „Mark“, ich weiß nicht warum die so heißen. In den ersten Generationen waren Kochstellen und sanitäre Einrichtungen noch gemeinschaftlich, inzwischen sind wir bei Generation 5, die garantiert Platz und Privatsphäre. Sobald man aus den Zentren von Hongkong Island draußen ist, bestimmen die Marks das Bild: Sai Ying Pun, Kennedy Town, Ap Lei Chau, Aberdeen.

Von Aberdeen an der Südküste Hongkong Islands haben wir ein Sampan nach Lamma genommen und wurden flugs fast von einem Frachter aus Emden versenkt. Riesige Containerschiffe walzen durch die See, man sollte ihren Weg nicht zu kreuzen versuchen, zumindest nicht mit einem kleinen niedlichen Sampan. Unser einäugige Kapitän hat im letzten Moment abgedreht und wir sind uns bis jetzt nicht im klaren, ob es Glück oder gelassene Routine war. Egal, gestrandet sind wir in Lamma, der kleinen Hippie-Insel, dessen Bild bestimmt wird vom schmucken Kohlekraftwerk.

Einer der schönsten Strände liegt direkt am Kraftwerk und man fühlt sich dort in den Vorspann der Simpsons versetzt (ist aber wirklich nur Kohle). Kein KFZ-Verkehr auf der Insel, berühmte Seafood-Restaurants, ein internationales entspanntes Treiben, welchem wir vom Balkon aus beiwohnen.


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Kleine schicke Gordon Gekkos

Hafen der Düfte, 26.03. bis 10.04.2011

Das Haus, in dem Alexandra ihre frühe Kindheit verbracht hat, wurde dann doch nicht gefunden. Wir haben uns ins Taxi gesetzt und sind langsam die endlos lange Tai Hang Road in Causeway Bay hochgefahren, aber entweder das Haus ist längst abgerissen oder wurde umbenannt… Alexandras früheste Kindheit liegt nun auch schon 50 Jahre zurück, damals hat sie mit ihren Eltern in einem anderen Hongkong gewohnt, sie hat von ihrem Zuhause auf Victoria Harbour und die Star Ferry und auf die Pferderennbahn von Happy Valley sehen können. Heute scheint das absurd, vor der Tai Hang Road steht ein Wald von Hochhäusern.

Außerdem hat sich das Wasser des Hafens zurückgezogen bzw. die Insel sich in den Hafen hineingearbeitet. Wir haben uns heute die Nordseite von Hongkong Island entlangbewegt, wenn man davon weiß sind die einzelnen Phasen der Landgewinnung nicht zu übersehen. Die Insel (und viel mehr noch Kowloon) wurde in den letzten 150 Jahren erweitert und erweitert, die letzte Stufe der Central- und Wan Chai-Reclamation ist gerade in vollem Gang. Die Stadtregierung braucht Geld. Land welches man in feinster Lage dem Meer abgewinnt ist billig herzustellen und sehr teuer zu verkaufen, immerhin ist die Gegend um den Hafen eine der teuersten der ganzen Welt. Da Hongkong nach wie vor kaum Steuern von seinen Bürgern verlangt, ist dies eine der wenigen Möglichkeiten, massiv an Geld zu kommen.

Das passt sehr zur Insel, die Jagd auf Kapital und sich dabei neu zu erschaffen bzw. neu zu erfinden. Zunächst vom billigen Produktionsstandort zum logistischen Dreh-und Angelpunkt für Asien (Hongkong hat nach Shanghai und Singapur nach wie vor den drittgrößten Containerhafen der Welt) und jetzt zum Dienstleistungs- und Bankenstandort (die drei größten Banken der Welt, nur mal so: 1. ICBC, Industrial und Commercial Bank of China, 2. Construction Bank of China, 3. HSBC, Hongkong Shanghai Banking Corporation). Letzte Manifestation dieser Metamorphose sind auf jeden Fall die Banken, es scheint ihnen trotz dem fürchterlichen letzten Jahr nicht schlecht zu gehen, alle Menschen in Central scheinen schwer beschäftigt und sehen sich dabei sehr ähnlich. Etwas ungelenk doch durchaus stolz tragen wir heute mal keinen Anzug und kein Kostüm. Wir schauen uns die HSBC-Zentrale von Norman Foster an und fahren in die 45sten Etage der Bank of China hoch (die von IM Pei geplant wurde). Das sind klare, schöne Huldigungen an das Geld.

Es gibt mehr zu sehen als Banken: in Admiralty einen Park mit riesiger Voliere, in Sheung Wan enge Gassen mit getrockneten Meeresungeheuern, in Causeway Bay Straßen, die vor Energie und jugendlicher Eitelkeit nur so explodieren etc. etc. wir hatten heute wirklich das volle Programm und waren den ganzen Tag auf den Beinen. Bei schönem Wetter, das auch noch. Komisch, fast alle Fotos im Hochformat.

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Heunggong it is

Hafen der Düfte, 26.03. bis 10.04.2011

So meine Damen und Herren, jetzt darf ich wieder ran, diesmal aus dem heute trüben Hongkong, dem „Hafen der Düfte“. Das ist die wörtliche Übersetzung aus dem Kantonesischen und nicht der erste Eindruck, der sich hier einstellt. Vom Flughafen aus fährt man lange an den modernen Hafenanlagen und Umhebewerken vorbei, die Hongkong so wichtig gemacht haben, exotische Düfte konnten wir uns (allerdings fein im klimatisierten Bus sitzend) nicht vorstellen. Es war ja auch eigentlich der Hafen von Aberdeen, an der Südküste von Hongkong Island, der der Stadt seinen Namen gab, von hier aus wurde das Sandelholz bzw. schon fertige Räucherwerk der Umgebung in das Kaiserreich verschifft.

Und es heißt nicht mal Hongkong sondern „Heunggong.“ Kantonesisch war aber wohl zu weich und melodiös für die Herren Kolonialisten, deshalb hat man dem Namen britische Härte mitgegeben. Gleiches gilt übrigens für Kowloon, das ist der Teil von Hongkong, der als Halbinsel von Norden her in den Hafen ragt und in dem wir hier zunächst wohnen. Es sollte Gaulong heißen, verdammt noch mal, für „9 Drachen“ (es begab sich nämlich in den letzten Tagen der Südlichen Song-Dynastie: der kleine Thronfolger landete, auf der Flucht vor den Mongolen, hier in diesem Nichts. In seiner kindlichen Einfalt sah er sich um und verglich die Berge der Gegend mit „acht Drachen.“ Aber nein, meinte da einer seiner Mandarine, mit euch sind es neun). Auf Hochchinesisch, was inzwischen immer wichtiger wird in der Metropole, sagt man übrigens „Xianggang“ zu Hongkong und „Jiulong“ zu Kowloon.

Wir sind eine äußerst private Gruppe hier, nach kurzfristigen Stornierungen der letzten Woche. Flugreisen in östliche Richtung sind derzeit nicht so schick. Das ist jedenfalls meine Interpretation, das kann man gut verstehen! Und trotzdem: Hongkong ist fast 3000km Luftilinie von Tokyo entfernt, um die Perspektive mal zurechtzurücken. Habt bitte keine Angst um uns. Nur noch zu viert sind wir, Peter und Hildegard aus Schwaben, Alexandra aus der Schweiz, und ich.

Nach Ankunft erstmal durch Tsim Sha Tsui, der Südspitze von Kowloon, geschlendert, zur Hafenpromenade mit etwas eingeschränkter Sicht. Unterhaltsam war eher das ständige Gegacker und Posiere um uns herum, denn heute ist Sonntag und da haben die Ahmas, die Hausmädchen der Stadt, Ausgang. In guter alter südostasiatischer bzw. in großer Mehrheit philippinischer Tradition zieht es sie dann zueinander und unter freien Himmel. Vor allem im Kowloon Park wird einiges an guter Laune geboten.

Um gegen den Jetlag anzukämpfen ist Feuertopf zu empfehlen! Die Motorik bleibt aktiv, es gibt ständig etwas zu tun und man muss doch nichts kapieren dabei, perfekt! Ein angenehmes erstes Abendessen, fand ich, die Kellner wie auch die Kellnerin hatten fadenscheinige Anzüge an und konnten einiges an Noblesse bieten. Zu müde heute für anständige Bilder. Außerdem war es wirklich trübe. Ich hoffe es wird in den nächsten Tagen aufklaren.

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